Kategorie: Sonstiges

Soziale Distanz – Ein Tagebuch (13)

Dies ist der dreizehnte Teil unseres kollektiven Tagebuches, in dem wir mit zahlreichen Beiträger*innen fortlaufend sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert. (hier Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, Teil 8, Teil 9, Teil 10, Teil 11, Teil 12)

Das mittlerweile über 150 Seiten umfassende kollektive Tagebuch “Soziale Distanz – Ein Tagebuch” gibt es auch als vollständige Leseversion in Google Docs.

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Andrea Geier: @geierandrea2017, Anna Aridzanjan: @textautomat, Berit Glanz: @beritmiriam, Birte Förster: @birtefoerster, Charlotte Jahnz: @CJahnz, Elisa Aseva, Emily Grunert, Fabian Widerna, Jan: @derkutter, Janine, Johannes Franzen: @johannes42, Magda Birkmann: @Magdarine, Maike Ladage @mai17lad, Marie Isabel Matthews-Schlinzig: @whatisaletter, Matthias Warkus: @derwahremawa, Nabard Faiz: @nbardEff, Nefeli Kavouras, Philip: @FreihandDenker, Rike Hoppe: @HopRilke, Robert Heinze: @rob_heinze, Sandra Gugić: @SandraGugic, Sarah Raich: @geraeuschbar, Shida Bazyar, Simon Sahner: @samsonshirne, Slata Roschal, Sonja Lewandowski: @SonjaLewandows1, Svenja Reiner: @SvenjaReiner, Tilman Winterling: @fiftyfourbooks, Viktor Funk: @Viktor_Funk

 

Woche 9: 4. Mai bis 10. Mai

4.5.2020

Marie Isabel, Dunfermline

Meiner älteren Nachbarin ist langweilig. Sie sieht traurig aus, als sie mir meinen Teller (ich hatte ihr frischgebackene Ingwerkekse vor die Tür gestellt) über den Gartenzaun reicht. Wie mir stehen ihr die Haare zunehmend zu Berge. Sie vermisst ihre Unabhängigkeit. Allein einkaufen zu gehen. Alte Freundinnen zu besuchen, die weiter weg wohnen, so, wie sie es jedes Jahr macht. Eine von ihnen hatte am Telefon gesagt, dass sie Glück hätten, weil sie an das Alleinsein gewöhnt seien. “Wie aber geht es jetzt denen, die gerade jemanden verloren haben? Ich erinnere mich noch gut daran, wie das bei mir damals war.” –– Andere Frauen, mit denen ich mich austausche, erleben den Lockdown auch als positiv. Mehr Zeit für den Garten, das Kind. Das Leben entschleunigt. Trotz neuer Herausforderungen, wie der digitalen Lehre, oder, im Gegenteil, der Abwesenheit von Berufstätigkeit, weil frau in den bezahlten Urlaub geschickt wurde. –– Im Deutschlandfunk kommentiert ein Soziologe, dass es zwei Gruppen von Menschen gebe: jene, die den Lockdown fast unerträglich finden und jene, die sich darin nicht nur eingerichtet haben, sondern sogar wohl fühlen. Ich befinde mich irgendwo dazwischen, denke ich erst, erkenne aber dann, dass ich einem Selbstbetrug aufsitze, denn was mir wirklich zunehmend fehlt, ist Bewegungs-, Reise-, Interaktionsfreiheit. Nicht Freiheit in einem abstrakten, wie auch immer idealen oder idealisierten Sinne, sondern ganz praktisch. Spezifisch die Freiheit, meine Familie zu besuchen. –– Dazu passt die verstärkte Polizeipräsenz, die mein Mann und ich auf unserem wochenendlichen Spaziergang bemerken. Fünf Polizeiwagen auf Streife in einem Zeitraum von zwei Stunden (wohlgemerkt am Stadtrand). Das ist nicht normal. Das ist einfach nur neu. Und es bereitet mir enormes Unbehagen. Da kann ich verstehen, warum andere, gerade frisch eingezogene Nachbarn, zumindest in ihren Garten immer mal einen Gast einladen, oder zwei. Oder dass es mittlerweile Untergrund-Friseur-Netzwerke gibt. Oder Menschen, die dagegen aufbegehren, nachts nicht mehr unterwegs sein zu dürfen, dabei wollen sie doch nur Sternschnuppen beobachten. Unter Einhaltung aller Abstandsregeln, versteht sich. Langweilig ist mir übrigens nicht. Oder vielleicht doch.

5.5.2020

 

Sarah, München 

“Ihr habt ja noch so viel Zeit,” sagt meine Schwiegermutter. Ich verstehe nicht gleich. “Für mich ist ein Jahr leider viel.” Sie hat sich bisher nicht ein Mal beklagt. Nicht über Einsamkeit, nicht über die Angst zu erkranken, nicht darüber, dass sie nicht mehr zum Chor gehen kann und nicht ins Theater. Gleichbleibend fröhlich liest sie den Kindern über Facetime vor, plaudert über Hochbeetbau, unsere Katzen und die Fortschritte ihrer Bohnen, die sie auf ihrem kleinen Balkon gepflanzt hat. “Für mich ist ein Jahr recht viel.” Erst jetzt wird mir klar, was der Corona-Lockdown für sie bedeutet. Sie ist Mitte 70. Noch fit, wie man so schön sagt. Aber die Jahre, in denen sie reisen kann, Radfahren, ihre Enkel zu Besuch haben, sind gezählter als unsere. 

Was Corona nimmt, ist so unterschiedlich. Die letzten Jahre in Bewegung. Den Jugendlichen die Chance auf Parties und sorglose Saufereien am Baggersee, oder wo auch immer. Den Kindern ihre Spiele mit anderen Kindern. Den Eltern die Zeit, durchzuatmen, den Künstlern nimmt sie die Bühne, uns allen die Gemeinschaft. 

 

Fabian, München

Man dürfte sich ja vermutlich nicht vorstellen, dass es sich bei den ordinären Top-Manager-Darstellern von Ihro Gnaden Systemrelevanz in Too big to fail-Manier der deutschen Kraftfahrzeugsherstellungs- und -vertriebs-Industrie um genau die Knalltüten handelt, die man sich wiederum vorstellt, wenn man sie im Wirtschaftsteil der meisten größeren Zeitungen Förderprogramme aus der konjunkturpolitischen Steinzeit fordern liest, weil – es ist ja durchaus plausibel, dass diesen Typen qua Position gewissermaßen und in Verpflichtung den qua Gewohnheit et al. berechtigten Dividendenausschüttungsinteressen ihren Aktionären gegenüber jeglichem Handeln gegenüber, das sich als zeitgemäß vernünftig aufgreifen ließe, die Hände gebunden sind; und natürlich hängen Arbeitsplätze dran, und Existenzen.

Oder es ist so banal wie’s klingt, dass, sie beim Fußball, die Paradigmatik der institutionellen Interessen, für die sie stehen, ihnen die Alternativlosigkeit der Positionen, die sie vertreten, so gehörig und nachhaltig ins Bewusstsein gehämmert hat, dass es selbst beim besten Willen nicht mehr möglich ist, in andere, wahlweise kreative Richtungen zu denken.

 

6.5.2020

 

Nabard, Bonn

Bis vorhin kannte ich Yahya Hassan nicht. Ich wusste nicht wer er war und was er für viele bedeutete. Was er schrieb noch woran er litt. Welche Vergangenheit er besaß noch welche Zukunft er wohl besessen wird. Er ist tot. Und jetzt lese ich einige seiner Zeilen. Sie sind brutal, ehrlich. Erschreckend. Für mich manchmal abstoßend. Hat er wirklich seine Geschichte erzählt? Seine Realität? Ich glaube ich kenne einige “Yahya Hassans” in meinem Umfeld die nicht diesen Mut haben wie er es hatte und sich so öffentlich zur Schau zu stellen. 

Wieso muss der Tod eines Schriftstellers mich von dieser Pandemie ablenken? Oder die Brandanschläge wohl verübt von einer rechtsextremen Terrorgruppe die letzten Tage in Bayern? 

Ich hab kaum Zeit gehabt mich diesem Tagebuch zu widmen, die Pandemie beginnt sich jetzt erst zu lockern doch die Krankenhäuser sind voll mit Patienten mit Covid 19. 

Bald habe ich frei, dann widme ich mich wieder Hafez und seiner Lyrik. 

 

Marie Isabel, Dunfermline

Kiefern knacken leicht im prallen Sonnenschein. Jemand schiebt einen leeren Rollstuhl über den Golfplatz. Hier patrouilliert keine Polizei, also wird auf dem Gras geruht, zumeist abseits der Greens, mit Ausblick auf die Landschaft ringsum. Es schneit Blütenblätter. Ungestörter Löwenzahn wächst kniehoch. Glockenblumen klimpern violett. Die Vögel sind fleißig und in der Mehrzahl. Kurze Hosen, Sonnenhüte, Hundehalter, Hundelose. Ein seltsames Paradies, aus der Zeit gefallen, surreal, das überall aufquellende Leben, die Farbigkeit, während die Tage im Lockdown immer weniger scharf abgegrenzt scheinen, auch kürzer irgendwie. Fühlt sich so Ewigkeit an? Bäume stehen gelassen da. Lange Sicht. Offiziellen Angaben zufolge ist die Insel in Sachen Todeszahlen im weltweiten Vergleich nun fast an der Spitze angekommen. Rekorde, die niemand brechen will. Es sei zu früh für klare Erkenntnisse, heißt es dazu während der Prime Minister’s Question Time im momentan fast leeren Unterhaus. Bei manchem hohlen Wort hört man den Nachhall jetzt ganz deutlich, da die Zwischenrufer, Rauner und Schreihälse auf beiden Seiten fehlen. Die Frage, wie Lockerungen aussehen könnten, schwebt im Raum, jetzt, wo wir gerade mal einen halben Schritt vom Abgrund entfernt sind, vielleicht, wobei wahrscheinlicher ist, dass niemand so genau weiß, wo wir eigentlich stehen. Zurück auf dem Golfplatz der fehlende Fluglärm, der noch reduzierte Autoverkehr, Stimmen, die weit tönen, ein Mutterruf, ein Wiehern, ein Elsternschrei, Klanglandschaft vergangener Jahrzehnte. Vielleicht wird sie wiederkehren, wenn wir uns vortasten ins Danach. Kann man im Paradies wachsen? Das sollte so sein, denn sonst wäre es eher eine Form der Hölle. Jetzt zumindest ist Entwicklung möglich, über vertraute Verhaltens- und Denkweisen hinaus, nicht immer leicht, schmerz- oder klaglos, warum auch, nicht ohne Enttäuschungen, warum auch, aber selbst in diesen ewigen Zeiten bleibt Veränderung die Regel, und warum sie nicht zum Positiven wenden, wo es nur geht, nach Herzenslust? Zufriedenheit zulassen. Genuss. Liebe. Lachen. Großzügigkeit. Überlegen, worüber es sich wirklich zu streiten lohnt. Was sich ändern muss. Endlich. Gelassenheit üben und gleichzeitig Entschlossenheit. Mitmenschlichkeit, Freundlichkeit, Gerechtigkeit… Vielleicht schaffen wir es ja so doch irgendwann in ein Paradies. Diesseits. Manchmal, denke ich, als ich den Weg nach Hause einschlage, muss man einfach nur stehen bleiben, um das eigene Herz schlagen zu hören.

 

Fabian, München 

Ach, die Aufmerksamkeiten fesseln sich doch selber, oder ein paar Viertelstunden in der Sonne vorm Weg nach Hause blenden eine ganze Reihe anderer Dringlichkeiten aus, oder drängen Sie zur Seite, oder drei Viertelstunden am Platz vorm Brunnen, sichere fünf bis sechs viertel Stunden, bevor schätzungsweise der warme Schein der fast schon abendlichen Frühlingssonne vorüber gezogen gewesen wäre – und die schweigsameren Pausen zwischen den Gesprächsthemen waren angenehm kurz, scheint mir, angenehm, insgesamt, ohne dass wesentlichere Unbehaglichkeiten sich einnisten können zu haben scheinen. 

 

Berit, Greifswald

Es ist schön, wie manche Stimmen hier schreiben, dann wieder für eine Weile verschwinden, wieder auftauchen, andere sind ganz regelmäßig da. Ich lese euch alle gerne, mag es, wenn ich sehe, wie andere zeitgleich im Dokument unterwegs sind, schreiben, verbessern, Sätze umstellen. Es ist eine besonders Intimität gemeinsam in einem Dokument zu schreiben, dabei zu sein, wenn andere ihre Gedanken entwickeln.

Die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern wurden gelockert und ich habe ein Ferienhaus am Strand gebucht – ein verlängertes Wochenende in der letzten Maiwoche. Wir schauen uns gerade oft die Bilder des Strandes im Internet an, Vorfreude ist etwas schönes. Eines meiner Kinder hat sogar schon ein Namensschild für das Ferienhaus gemalt.

Nun hoffe ich, dass uns die gefürchtete zweite Viruswelle keinen Strich durch die Rechnung macht. Diese kleine Reise war ein Trost für uns, denn es ist immer noch schwer zu akzeptieren, dass wir diesen Sommer nicht in Island verbringen können. Menschen, die wir sehr lieben, werden älter, der Sommer war für uns ein lange geplante Möglichkeit viel gemeinsame Zeit zu verbringen. Wer weiß, wann wir uns wiedersehen können? Ich habe Angst, dass etwas auf Island passiert und wir nicht schnell dort sein können, festhängen in Deutschland.

 

7.5.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Was genau Anfang nächster Woche südlich der Grenze zwischen Schottland und dem Rest der Insel passieren wird, weiß noch niemand (BJ soll am Sonntag eine Ansprache halten, hach, wie freuen wir uns alle darauf). Was jedoch relativ sicher ist: Der Lockdown in Schottland wird zunächst andauern, wohl für mindestens drei weitere Wochen. Vielleicht lässt man uns ein wenig länger oder häufiger vor die eigene Haustür, um unseren sportlichen Aktivitäten nachzugehen, aber damit dürfte es dann auch schon erledigt sein. Ich hatte, merke ich, sehr auf Lockerungen gehofft. Dabei ist klar, dass die jetzige Entscheidung nicht zuletzt mit Blick auf die Datenlage vernünftig ist (Schottland scheint etwa zwei Wochen hinter dem Süden her zu hinken, was die Ausbreitung des Virus angeht). Dennoch: Es ist, als ob vor dem inneren Auge ein Rollo mit Karacho runter kracht. Der ersehnte Horizont, der sich vorsichtig geöffnet hatte, verschwindet, geschwind, aus dem Blickfeld. Draußen scheint die Sonne. Drinnen künstliches Licht. Nur gut, dass ich um die wechselhafte Natur des inneren Wetters weiß. 

 

Rike, Köln 

der motorradunfall in der abendsonne neben einem frühen grünen roggenfeld. das kann auch passieren. der körper reagiert auf den anblick mit tränen. was möchte ich von diesem tag behalten? dankbar für die picknickdecke im richtigen moment, 100% polya-irgendwas. wie viele jahrzehnte sie mich überdauern wird. die decke ist eine schildkröte oder ich bin für sie ein hundeleben, oder sie wird vielleicht 4 menschenleben alt. morgen esse ich mit s. ein frühstück an einem ungewohnten ort. “lockerungsmaßnahmen.”

 

8.5.2020

 

Rike, Köln 

Sich die hände eincremen ist gut. Mit einem mittagsschlaf den tag scheiteln in 2 hälften ist gut. Über etwas schlafen hilft. Kritik in angebrachten dosen hilft. Stopp sagen, wenn es zu viel ist auch. Ich will in die welt brüllen an die mächtigen idioten, die angekurbelte wirtschaft hat zu diesem totalen unfall geführt. Wie könnt ihr das nur wieder verlangen. Ich muss gar nichts ankurbeln. Ich will dass ihr menschen rettet und nicht konzerne, damit die vielleicht offiziell durch arbeitsplätze menschen gerade mal etwas geld  zum überleben geben. Menschen wollen leben und wirken. man kann das auch arbeiten nennen. sie müssen nicht zwangsläufig in einer fluggesellschaft arbeiten dafür. Eine fluggesellschaft könnte auch eine andere art von gesellschaft sein. Das fliegen der gesellschaft hat dazu geführt, dass sich die vorsilbe vor der -demie geändert hat. und 10 milliarden soll es geben für lufthansa, und 8 milliarden fehlen für die finanzierung eines impfstoffs. die verhältnismäßigkeit ist verbrecherisch. Ich will niemand von denen umbringen, ich will nur mundtot machen die idiotischen mächtigen in den institutionen. „the full weight rests with those people who control the institutions.“ und gleichzeitig: die verantwortung liegt genau so bei mir. Das nebeneinander ist im vergleich absurd aber gleichzeitig ist es so. 

9.5.2020

 

Rike, Köln 

ich schicke mama die schokoeier von ostern mit der alkoholfüllung in einem unversicherten päckchen zurück und lege ihr eine schokolade dazu, die eigentlich meine lieblingsschokolade ist, von der ich nicht weiß, ob sie sie mag. Vielleicht werden wir uns die kommenden monate immer wieder brieffreundinnenmäßig unsere lieblingssüßigkeiten höflich vor und zurück schicken. Was stand in ihrem brief? Ich habe sie gefragt, was das grausamste ist, was sie jemals getan hat. Die antwort war liebenswürdig. Morgen ist muttertag. Ich hoffe, die eier sind nicht auf meinem antwortbrief explodiert. ich hatte mir mühe gegeben. 

 

Viktor, Frankfurt

Das fühlt sich nicht gut an. Gerate immer häufiger in Gespräche, in denen es nur darum geht, dass es mit dem Virus gar nicht stimmen kann, er sei nur die “kleine Schwester” der Grippe (warum eigentlich Schwester?), er sei nicht tödlicher und das alles könne gar nicht stimmen, und wir werden entmündigt, und der wirtschaftliche Schaden …, und die wollen doch eine Impfpflicht einführen … und …

Ach, manchmal schweige ich. Aber wenn es Menschen sind, denen ich nahe stehe, wenn sie Dir WhatsApp-Nachrichten mit YouTube-Videos irgendwelcher “Naturheilkunde-Sender” schicken –  man ist das alles anstrengend. 

Es gibt einerseits einen riesigen Informationsbedarf, andererseits wenden wohl nicht wenige Menschen ihre Zeit dafür auf, sich bei den K. Jebsens dieser Welt zu informieren, statt unterschiedliche etablierter Medien heranzuziehen, zu vergleichen und auch die Kritik wahrzunehmen, die sich darin wiederfindet. Ich weiß nicht, wie man dieses Paradoxon auflösen kann. 

Was mir auffällt:

  1. Persönliche Situation wird unreflektiert auf die gesellschaftliche Situation übertragen, bzw die gesellschaftliche Situation wird mit der persönlichen Brille bewertet;
  2. Berechtigte Zweifel an einzelnen Anti-Corona-Maßnahmen werden als Argument genutzt, alle Maßnahmen anzuzweifeln;
  3. Diffuse Ängste treiben die Menschen, und ausgerechnet die eine Person, die am heftigsten mit mir diskutiert, hat sich am wenigsten an irgendwelche Regelungen gehalten.

Ich bin ziemlich ernüchtert, ich fürchte, das Selbstbild einer Wissensgesellschaft ist ein Wunschbild. Oder ein Trugbild. Wunschbild wäre noch okay, Wunsch heißt, wir streben es an. Trugbild ist gefährlich.

 

Slata, München

Ich wollte etwas zum heutigen Feiertag, zum Tag des Sieges über den Faschismus schreiben, genauer, über das faschistische Deutschland, eine witzige Sache eigentlich, sich in Deutschland gegenseitig zu gratulieren, die Welt von Deutschland befreit zu haben, und dann noch eine Rezension zu Yahya Hassans Gedichten, und ein eigenes Gedicht beenden und Notizen vorbereiten, am Montagmorgen mit einem neuen Disskapitel beginnen, die Hausaufgaben für nächste Woche ausdrucken und sortieren, die Hausaufgaben für diese Woche abfotografieren und hochladen bei OneNote für die Lehrerin, eine Runde Kinderyoga nach der neuen CD machen, ein paar Kapitel Pettersson und Findus lesen, die Gurkenpflanze vom Balkon reintragen, den Hamsterkäfig saubermachen, im Keller nach Topfuntersetzern suchen, und es ist Samstagabend und ich gehe mir die Haare färben.

 

Nabard, Bonn

23:12Uhr, Samstag Abend. Iftar liegt hinter uns und niemand macht anstanden nochmal raus zu wollen. Niemand ruft an und fragt ob wir noch ein Eis von McDonald’s wollen. McFlurry mit Daim hab ich letztes Jahr Samstags gegönnt. Mit Redu und Ahmad kurz in der Moschee vorbei geschaut, bisschen Spiritualität gesammelt und dann ins Karizma. Ein Shisha-Kopf geraucht und  Tee getrunken. 

Stattdessen ein leeres Glas vor mir, Drake tönt aus den Kopfhörern, es skippt gleich zu Sampha’s Part. “Don’t think about it too much, too much, too much…”  September 2013, fast sieben Jahre ist das her. Was macht das mit euch wenn ihr Lieder und sie sich immer noch so anhören als wären sie gestern erschienen? Die gleiche Gänsehaut, das gleiche Gefühl. Ich glaube ich bin eh immer jemand gewesen der zu viel Emotionen beim hören der tunes gesteckt hat als andere. 

Was machen wir eigentlich diesen Sommer? ES sollte mein letzter Sommer als Student sein. Ohne lernen, ohne Doktorarbeit, ohne Seminare oder Praktika. Auf Station buckeln und nach Feierabend an den Rhein oder Hofgarten. Das wird wohl nix. R ist bei 1.1, in den nächsten Tagen wird es steigen. Schön war’s.

 

10.5.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Stell Dir vor, es ist langes Wochenende und keiner merkt es. Oder vielleicht doch. Aber nicht, weil sich alle Welt in Freizeitaktivitäten ergeht. Oder vielleicht doch. Der Reihe nach: Freitag, VE-Day‚ Tag der Befreiung (seltsamer Name). Da geht es ja eigentlich um Erinnerung. Demgegenüber entblödet sich mancher, die Situation im Mai 1945 mit der im Mai 2020 zu vergleichen. Stichwort ‘Nullstunde’ (https://www.hessenschau.de/kritik-an-bouffier-text-ueber-kriegsende-und-corona-pandemie,kritik-bouffier-8mai-100.html). Am Morgen ist auf BBC Radio Four vom Krieg gegen das Virus die Rede, nur diesmal in unmittelbarer Parallelsetzung zum Zweiten Weltkrieg. Da hilft nur Ausschalten. Kritische Stimmen zu derartigen Nebeneinanderstellungen finden sich auf beiden Seiten des Kanals. Hohn, Spott und Verachtung ziehen auf der Insel zudem VE-Streetparties auf sich, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. 

Am Samstag, 9. Mai, lese ich dann von Demonstrationen in Deutschland, auf denen neben Verschwörungstheoretikern, Rechten, Linken und Impfgegnern, je nach Ort, auch jede Menge andere Menschen zugegen zu sein scheinen. Das sind allerdings Peanut-Probleme, schaut frau beispielsweise nach Belarus, ein Land, über das Europa sowieso viel zu wenig redet. Dort hält die Regierung doch gleich mal locker die jährliche Militärparade ab, von sozialer Distanz hier (wie auch sonst übrigens) keine Spur: Was ein guter Diktator sein will, lässt sich so eine Gelegenheit ja nicht entgehen. Wie es um die Bevölkerung dort wohl gerade steht?

Heute endlich die lang ersehnte Botschaft des Premiers Johnson, die von vorsichtigen Lockerungen spricht, diese aber gleich wieder relativiert und die Zuhörer:innen verunsichert. Die Kritik lässt nicht lange auf sich warten. Einig ist sich das vereinte Königreich momentan überhaupt nicht. Während Wales, Nordirland und Schottland weiterhin im Lockdown sind und der Slogan unverändert lautet: ‘Stay at home’, hat England jetzt ein neues Motto, von dem keiner genau weiß, was es bedeuten soll: ‘Stay alert’

… Was wiederum an die endlosen Pandemie-Werbeslogans erinnert, die einem momentan u.a. aus dem Fernsehen (auf Twitter, Facebook, Instagram, etc., kann man den Werbebannern der Pandemie-Warner eh nicht entwischen) entgegenschallen. Plötzlich auf dem Bildschirm auftauchende Videoaufnahmen von ‘Durchschnittsbürgern’, die per Skype, Zoom, WhatsApp etc. ihren Freund:innen und Angehörigen in gefühlsduseliger Weise ‘Mut machen’. Alternativ: Wohlfühlzeit daheim. Dagegen sind die erstaunlich schnell auf den Covid-Modus umgeschwenkten kommerziellen Werbespots ja fast noch erträglich, oder zumindest unfreiwillig komisch. 

Soviel zum langen Wochenende.

 

Fabian, München

Die Stadt hat ihren Lärm wieder. War nur eine Frage der Zeit, aber von Seiten des Fußgängers ist die Unabdinglichkeit, mit der die Leute ihre Kraftfahrzeuge und ganz sicher und ganz ohne Absicht in Blechlawinen konzentriert durch die Straßen bewegen, ungeachtet der zweifellos, in jedem einzelnen Fall triftigsten Gründe, doch etwas ärgerlich. Die relative Ruhe, in der man sich ein paar Wochen lang und häufig unbehelligt von der motorisierten Überzahl durch die Stadt bewegen konnte, hatte schon etwas für sich, auch wenn man sich dann besser nicht vorstellen mag oder sollte, dass für viele der Vorüberlärmenden jeder in den letzten Monaten notgedrungen nicht zurückgelegte Kilometer mit realen Verlusten in direktem Zusammenhang steht, und jetzt will’s einem, wie zum Trotz, oder aus Trotz, vorkommen, als müsste die Bewegung durch die Stadt innerhalb einiger Tage stellvertretend für die Verluste der vergangenen Wochen einstehen – aber vermutlich liegt’s bloß am Lärm; oder demgegenüber an der kurzfristig gesteigerten Sensibilität.

 

11.5.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Eigentlich wollte ich von dem Stromausfall heute morgen erzählen, der anscheinend von einem Schwan verursacht wurde, der mit seiner Frau um die Ecke in einem Teich lebt und gerade, wenn alles gut geht, Nachwuchs erwartet (die Nachbar:innen haben bereits Wetten abgeschlossen, wann es denn soweit sein soll), heute morgen aber (wohl nicht zum ersten Mal), eine unangenehme Begegnung mit einer Stromleitung hatte, wobei zum Glück ein älterer Nachbar den Funkenflug beobachtete, hineilte, dabei selbst (glücklicherweise ohne sich zu verletzen) stürzte, das Tier betäubt vorfand, über seine Tochter per Telefon eine örtliche Tierschutzorganisation mobilisierte, die jemanden schickte, der den Schwan inspizierte und wieder zum Teich zurück trug, wobei er bemerkte (der Mensch, nicht der Schwan), dass er (der Schwan, nicht der Mensch) etwas zu schwer sei und die Nachbarschaft doch fortan lieber kein Brot sondern eher Haferflocken, Salatblätter etc. füttern solle, ansonsten ginge es dem Tier aber bis auf einige verlorene Federn gut, woraufhin jetzt am Teich zwei kleine Schilder hängen (verfertigt von der Tochter des älteren Herrn und Vogel-Erste-Hilfe-Leisters), auf dem die neue Schwanendiät erklärt wird – ob die ebenfalls ansässigen Enten und Möwen, etc., sich über die Diätmaßnahmen freuen, bleibt abzuwarten. 

Okay.

Worüber ich aber im Grunde auch gerade schreiben wollte (bevor mir der Schwan mental dazwischen kam), sind die diversen Corona-Archive, Corona-Museen und andere Formen der Aufzeichnung und Sammlung von Alltagsbeobachtungen, fotografischen Zeugnissen, Objekten, Texten (wie diesem kollektiven Tagebuch), extra begründete Webseiten für Gedichte und andere literarische Formen (wie etwa ‘Briefe aus dem Lockdown’) zum Thema Pandemie/Lockdown, die erwarteten (oder befürchteten) Corona-Romane, Radiobeitragsserien zum Thema ‘Alltag in der Pandemie’, und sicher ließe sich hier noch manches ergänzen (von den notwendigen Links zu den diversen Projekten ganz zu schweigen, aber sie haben sich, grenzübergreifend, derart multipliziert, dass einem langsam der Kopf schwirrt, fängt frau erst einmal an, auf diese Dinge zu achten). Abgesehen davon ist es grundsätzlich spannend, dass das Festhalten des Augenblicklichen, Vergänglichen, sozusagen das Mitschreiben von Geschichte, während sie sich ereignet, oder zumindest in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Geschehnissen (trotz aller erwartbaren, oft praktischen oder medialen Bedingungen geschuldeten zeitlichen Verschiebungen), in allen erdenklichen Kunst- sowie anderen Formen und Zeugnissen gerade eine solche Blüte erlebt, und ich frage mich, in welcher Relation das steht zur Geschwindigkeit unserer medialen Welt wie erfahrenen Lebenswirklichkeit, zu unserem Bewusstsein von chronistischem Schreiben und dessen langfristiger Bedeutung, und natürlich zu dem Bedürfnis, den Überblick und vielleicht zumindest die Illusion von Kontrolle zu behalten, wenn (vorübergehende?) Veränderung so schnell vonstatten zu gehen scheint. Dass dieses Tagebuch hier nicht nur seinerseits in anderen Medien  reflektiert, sondern zudem bereits Forscher:innen wie Student:innen als Anschauungs- und Diskussionsobjekt diente, ist Teil dieses Phänomens, dieses zeitnahen, fast gleichzeitigen Verfertigens und Analysierens von Zeitdokumenten. Hier (note to self und alle anderen) bitte weiterdenken.

Soziale Distanz – Ein Tagebuch (12)

Dies ist der zwölfte Teil unseres kollektiven Tagebuches, in dem wir mit zahlreichen Beiträger*innen fortlaufend sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert. (hier Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, Teil 8, Teil 9, Teil 10, Teil 11)

Das mittlerweile über 150 Seiten umfassende kollektive Tagebuch “Soziale Distanz – Ein Tagebuch” gibt es auch als vollständige Leseversion in Google Docs.

Es schreiben mit:

Andrea Geier: @geierandrea2017, Anna Aridzanjan: @textautomat, Berit Glanz: @beritmiriam, Birte Förster: @birtefoerster, Charlotte Jahnz: @CJahnz, Elisa Aseva, Emily Grunert, Fabian Widerna, Jan: @derkutter, Janine, Johannes Franzen: @johannes42, Magda Birkmann: @Magdarine, Maike Ladage @mai17lad, Marie Isabel Matthews-Schlinzig: @whatisaletter, Matthias Warkus: @derwahremawa, Nabard Faiz: @nbardEff, Nefeli Kavouras, Philip: @FreihandDenker, Rike Hoppe: @HopRilke, Robert Heinze: @rob_heinze, Sandra Gugić: @SandraGugic, Sarah Raich: @geraeuschbar, Shida Bazyar, Simon Sahner: @samsonshirne, Slata Roschal, Sonja Lewandowski: @SonjaLewandows1, Svenja Reiner: @SvenjaReiner, Tilman Winterling: @fiftyfourbooks, Viktor Funk: @Viktor_Funk

 

Woche 8: 27. April bis 3. Mai

 

27.04.2020

 

Shida

Es gibt Lockerungen und es gibt Maskenpflicht, beides ändert für uns hier in der Pampa einfach mal gar nichts (die Maske trug ich beim wöchentlichen Einkauf auch so, andere Orte gibt es hier nicht). Alles bleibt unverändert und ich stelle pessimistische Prognosen auf („Keine Pläne mehr für dieses Jahr. Urlaub findet nicht statt, Buchmesse findet nicht statt, Weihnachten findet nicht statt.“) einfach nur, um mich selbst als Herrin der Lage zu fühlen (was ist Herrin eigentlich für ein Wort?). Ich gehe nicht davon aus, bald wieder in meiner eigenen Wohnung zu wohnen und seit der Fire TV-Stick uns hinterhergezogen ist, fehlt mir mein richtiges Zuhause auch nicht mehr. Um noch eins drauf zu setzen, habe ich auch noch angefangen, zu joggen, obwohl ich Joggen noch viel mehr hasse als Spazierengehen. Aber der Effekt auf Körper, Gemüt und Müdigkeitsstatus ist so gigantisch, dass ich mich weiterhin überwinde.

Letzte Woche hatte ich zum ersten Mal eine Online-Lesung. Ich war von Anfang an skeptisch, vielleicht, weil das Internet für mich nie ein Kommunikationsraum war und das, was ich an Literaturveranstaltungen liebe, eben die Kommunikation davor, danach, währenddessen, vor allen Dingen währenddessen ist. Ich dachte, dass ich zwar skeptisch bin, weil ich so eine Internetskeptikerin bin, dass das aber am Ende eine der Erfahrungen wird, nach der man denkt: „Ahhh! Es ist ja doch ganz toll! Zum Glück bin ich um diese Erfahrung reicher geworden! Danke Schicksal, danke Welt!“. Pustekuchen. Am Ende ist mir nur noch mal bewusst geworden, dass ich den Autorinnen-Job auch deswegen über alle Maßen abfeiere, weil es die schönsten literarisch- zwischenmenschlichen Begegnungen sind, die ich auf Lesungen und Veranstaltungen erfahre. Online-Lesungen sind zum Zuschauen und Zuhören vielleicht ganz ok (das weiß ich nicht, weil ich aus der Härte der Corona-Tage abends nicht dazu in der Lage bin, Zuhörerin zu werden und mich gebührend zu konzentrieren), als Lesende gibt man irgendwas in den luftleeren Raum und verschwindet danach wieder in der stillen Isolation. Keine Gespräche, keine Diskussionen, kein Wein, kein Lächeln, keine verhalten wütende Kritik, kein Erfahrungsaustausch, kein lautes Lachen, kein zweiter Wein, und, zur Hölle, was soll der Geiz: Auch kein Applaus. Vielleicht bin ich wie die Schulen, die jetzt merken, dass sie sich schon längst der Digitalisierung hätten öffnen müssen, um mithalten zu müssen, vielleicht geht Corona so lange, dass ich wohl oder übel meine Meinung überdenken muss. Aber erst mal bin ich trotzig weiterhin skeptisch und wünsche mir zu Weihnachten die Leipziger Buchmesse.

Schimpftirade Ende.

Hier scheint immerhin die Sonne und meine Manuskriptabgabe ist in zwei Wochen. Ich sollte also wieder meine Zeit mit dem anderen Teil des Autorinnen-Daseins verbringen, das Schreiben nämlich funktioniert weiterhin selbstbewusst Corona-Frei.

 

28.4.2020

 

Slata, München

Weiße gibt es, grellweiße und leicht gelbliche, in breiter Auswahl, wie Hochzeitskleider, hellblaue auch, gemusterte handmade und stylische schwarze, kochfeste Baumwolle oder durchsichtige, um das Gesicht geschlungene Schals, hochgezogene Rollkragen, das bringt mich aus der Fassung, wenn Leute das Beste aus jeder Lage machen, es zustande kriegen, ihre Individualität zu unterstreichen, und sich gleichzeitig Maulkörbe besorgen, alles machen, was sie machen sollen, eigentlich gibt es ja kein Argument dagegen, aber das bringt mich aus der Fassung.

 

Fabian, München

Die Leute werden kreativ und liefern tolle Bilder. Offenbar, darauf lässt zumindest der Radfahrer am Heimweg heute schließen, der offenbar begeistert das, angenommen, Pärchen drüben auf der anderen Straßenseite beim erstaunlich selbstverständlichen oder erfolgreichen Versuch filmte, an der Befestigungsmauer der Kirche entlangzubouldern. Dabei stand’s grade gestern zur Disposition, dass die Aktualitäten der Ereignisse die Geschwindigkeit der letzten Wochen langsam einbüßen – und dann springt so’was in die Bresche.

 

Svenja, Köln

Ich träume seit einigen Tagen von Arbeitsblättern. Kurz vor dem Aufwachen höre ich meine Stimme, sie diktiert genaue Anweisungen, bemüht sich um klare Formulierungen, und dann mache ich die Augen auf.

30.4.2020

 

Sandra, Berlin

Wo war ich? Der letzte Eintrag ist ewig her. Ich tauche aus meinem Zeitloch.
Hallo.
Mir gehts-
Äh-
Nein-
Und ihr so?
We are all together in this. Are we?

Ich muss meinen Kalender nehmen und rekapitulieren. Was habe ich eigentlich gemacht? Da war die Sache mit dem Finger, dem Splitter, dem Unfallchirurgen.

Dabei habe ich nur ein Buch vom Boden aufgehoben und mir dabei einen langen Holzsplitter tief unter meinem Fingernagel versenkt. Ich konnte das Stückchen Holz durch den Nagel sehen, und später, wie die Entzündung sich ausbreitet, der ganze Finger anschwillt. Natürlich dachte ich, das geht schon, ich hol das selbst raus, ok, hat dann nicht geklappt, aber es wächst ja eh irgendwann raus. Dabei fiel mir der Spiegel-Artikel ein, in dem ein Prepper erzählt, dass er „für den Ernstfall“ geübt und sich selbst als Test einen Zahn gezogen hat. Trotzdem. Kam mir lächerlich vor, mit meiner Verletzung zur Hausärztin zu gehen, bis C. mich überredet hat, aber die Ärztin wollte das nicht mal anfassen, Oh-oh, nein, das kann ich nicht machen, hat gleich eine Überweisung zum Chirurgen geschrieben. Dann der schlechtgelaunte Chirurg, der an meinem betäubten Finger herumwerkelt, der prüfende Blick der Arzthelferin der hin- und her geht zwischen meiner Hand und meinem Gesicht, während der Arzt komische Geräusche macht. Wirklich komische Geräusche. Soll ich hinsehen? Lieber nicht. Das war kurz vor der Maskenpflicht. In den Praxen war die aber schon angekommen und somit war es der erste Vormittag, an dem ich die Maske lange am Stück trug. Das Atmen fällt wirklich schwerer damit, dabei ist es nur eine Stoffmaske. Das beste war eigentlich das Verbandwechseln am übernächsten Tag, das hab ich dann als Mikro-Story vertweetet.

Teil 1: Gestern, vor der Praxistür des Unfallchirurgen wartet schon einer. Aus etwas Entfernung schon sehe ich, dass auch er einen dick verbunden Finger hat. Ich stelle mich in entsprechender Entfernung in die Reihe, nicke ihm zu.

— Sandra Gugic (@SandraGugic) April 25, 2020

 

We are all together in this. Are we?

Ich nehme selten Medikamente, nach der Betäubung muss ich mich zuhause hinlegen, verschlafe einen ganzen Nachmittag. Später: Die letzten Korrekturen im Manuskript tippe ich mit neun Fingern, der verbundene zehnte weit abgespreizt, die arbeite immer noch im Bett liegend, im Pyjama. Dann: Das Email abschicken. Dem swooosh lauschen, der die Arbeit von fünf Jahren ein Stück weiter hinaus in die Welt trägt.

Und apropos WE ARE ALL TO-whatever … Die letzte Woche haben sich in die anfangs so schönen freundlichen Chats mit Freund*innen andere Themen gemischt. Ängste, Spekulationen und Nachrichtenmeldungenhamstern aus strangen Quellen – all das mischt sich in den Köpfen und in den Gesprächen geht es plötzlich um Überwachung, Bedrohung, Verschwörungstheorien. Ich kann das meiste davon Null nachvollziehen. Wir diskutieren, streiten, dann Funkstille. Bin ich intolerant? Ah, was bin ich müde.

Da fällt mir ein – morgen ist der erste Mai. Ich muss an den Wiener Prater denken, und daran, wie ich mit meinen Freund*innen dort einen großartig sonnigen besoffenen ersten Mai hatte.

We are all together in this. Are we?

Und ihr so?

 

Nabard, Bonn

Ich wollte hier so vieles schreiben, was ich schönes die letzten Tage erlebt und gefühlt habe. Aber ich bin müde, erschöpft. Mir fehlt Tag für Tag die Kraft. Nicht weil wir im Krankenhaus jeden Tag einen neuen Fall bekommen, die Patienten jünger werden, Neugeborene, Jugendliche, vormals gesunde Kinder.

Nein, weil die Ignoranz von so vielen mich erschlägt. Ihre Verschwörungen. Ihre Behauptungen es sei doch alles nicht so schlimm. Ich wünschte ich könnten ihnen die Patienten zeigen. Wie sie leiden. Und wie ihre Angehörigen leiden.

Ich bin müde. Ob es mir irgendwann egal sein wird wie viele eigentlich erkranken und sterben werden?

Meine Schwester deckt den Tisch für das Iftar gerade, wie schauen über Satelliten-Tv BBC Farsi. Im Süden Tajikistan’s sind jetzt Corona Fälle bekannt geworden.  Es ist also wohl eine Frage der Zeit bis in Kunduz und Chah-Ab, unserem Heimatdorf, das Virus gelangt. Mama spricht ein Stoßgebet.

 

Marie Isabel, Dunfermline

Ich treffe mich mit 17 Fremden zum gemeinsamen Schreiben. Nach und nach poppen die Zoom-Fenster auf. Frauengesichter, Männergesichter, mit und ohne Bart. Einblicke in kleinere und größere Räume, eine Küchenzeile, Wandschmuck, eine runde Korbschaukel. Zwei von uns verbergen ihre Umgebung hinter einem Strandbild mit Sand und Palmen, in dem die Sonne sommerhell scheint. Sehnsuchtsidentität eines kleinen Studentenwohnheimzimmers: S. ist besonders gefährdet und hat es seit Wochen nicht verlassen. Beim gegenseitigen Vorstellen erzählen wir, wo und wie wir wohnen, wie es uns im Lockdown ergeht.

Unsere Zimmerkästchen sind über mehrere Kontinente verteilt: Schottland, England, Chile, die USA, Norwegen, Dänemark. Zählt man die Herkunftsländer einiger dazu, lassen sich Italien, Deutschland, Mexiko, Südafrika mindestens anfügen. Wir haben viel gemeinsam: das Gefühl des Beengtseins; die Freude, Spaziergänge in freier Natur machen zu können oder in der Nähe eines Flusses, Meers, Hafens; die Dankbarkeit für ein Haus am Stadtrand; das Leiden unter kleinen Wohnungen im Stadtzentrum. Eine von uns strickt. Es wirkt beruhigend. Ab und zu trinkt jemand etwas. Espresso, Tee, Wasser. Zwei Wissenschaftler der Universität von Edinburgh moderieren.

Eine Viertelstunde lang schreiben wir. Alle stummgestellt vor der Kamera. Darüber, wie es uns jetzt geht, was uns bewegt, in einer Form unserer Wahl. – Ich lasse mich von der Sprache treiben. Sehe aus dem Fenster auf die weichen Linien draußen, alles erwartet Regen. Der Wetterbericht hatte ihn für gegen drei oder vier Uhr nachmittags angekündigt. Wie wäre es, klappert die Metaphernkiste, wenn wir eine Lockdown-Vorhersage hätten? Wie spielt sich das Corona-Wetter ab? Ist der Sturm schon vorbei? Auf wen bricht er herein? Auf wen nicht? Ist er überhaupt real, wenn wir ihn nur als Vorhersage kennen, nur andere ihn erleben? … –

Nach fünfzehn Minuten kommen wir wieder zusammen und lesen. Nacheinander. Kommentiert wird nicht. Nicht gewertet. Nur zugehört. Wirklich zugehört. Es wird geweint. Gelächelt. Gelacht. Genickt. Gefühlt. Mitgefühlt. Nachgefühlt. Wir schreiben über Ängste; den Schmerz darüber, einen trauernden Menschen nicht in den Arm nehmen zu dürfen; die Suche nach Stärke in der Erinnerung an überstandenes Leid; das Bedürfnis, andere zu umsorgen, zu beschützen; wie man als Einwanderer während der Pandemie noch mehr zum Außenseiter wird; wie Covid-19 hilft, eine Revolution in den Kinderschuhen zu ersticken; inwiefern das ritualisierte Klatschen für die NHS-Helden jeden Donnerstagabend um 8 Uhr Fassade ist, um Missstände zu verdecken; über einen veränderten Fokus auf die eigenen Bedürfnisse, deren Befriedigung; Alpträume, in denen die soziale Distanz nicht eingehalten wird; Wut; die Suche nach einem Ort der Ganzheit des Selbst; ob das Draußen noch existiert, wenn das Leben sich nur drinnen abspielt; über den Rückzug von allen Nachrichten; dass frau jetzt anders hört, wahrnimmt; in der Falle sitzt; scheinbare Normalität in idyllischer Umgebung; über das Schreiben, um nicht den Verstand zu verlieren und das Schreiben um des Schreibens willen, das keinen Sinn schafft.

–––– Es ist eine enorm intensive Erfahrung. Alle lesen. Vor Menschen, die sie bis vor einer Stunde nie gesehen hatten, in einem geteilten virtuellen Raum, in dem alle den gleichen Platz haben, das gleiche Recht auf Zeit und Aufmerksamkeit, Unterstützung, Zeugenschaft, Begegnung. Es ist überwältigend, berührend. Wir danken einander. Für den Mut, uns einander zu öffnen. Jemand bemerkt, dass es sich jetzt so anfühle, als kenne man sich. Ich sage, dass ich mir wünschen würde, alle wiederzusehen. In zwei Wochen, vielleicht drei. Wer weiß, wie es uns dann geht?

 

1.5.2020

 

Slata, München

Coronababys wird man sie nennen, die zwischen Dezember dieses und, schätze ich mal, Sommer nächsten Jahres Geborenen, es werden ruhige, entspannte Kinder, die im Liegen, im Sitzen zuhause aufwuchsen, ausgeglichen ernährt, mit Mozart frühentwickelt, mit Büchern unterhalten, von der Sonne auf dem Balkon gebräunt. Kindergärtner werden ihre Gruppen Alpha, Beta, Gamma nennen, Lehrer werden sich darum streiten, eine Klasse mit Coronakindern zu bekommen, mit besonders gutem Ruf, vielleicht wächst dreißig Jahre später abrupt die Anzahl der Mediziner, Biologen, Virologen, ernst und charmant alle, wie Drosten. Das Einzige, wozu die Zeit vom Nutzen wäre, Babys auszutragen.

 

Sandra, Berlin

Wir verschlafen den ersten Mai. Es ist der stillste erste Mai, seit ich in Berlin lebe. Keine Openair-Party, keine Demo, kein Picknick, nicht mal eine Deadline. Ruhiger noch als letztes Jahr, als das Kind knapp sieben Monate alt war. Als ich endlich aufwache, sind C. und das Kind weg. Es ist selten, und fast schon unheimlich, dass ich allein und in einer stillen Wohnung aufwache. Auch auf der Straße ist niemand unterwegs. Kein Mensch hinter den Fenstern gegenüber. Ich denke spontan an den Anfang von „The walking dead“, wenn der Protagonist im verlassenen Krankenhaus aufwacht. Gestern Abend, kurz vor Dämmerung, als die Straße in surreal pastellfarbenes Licht getaucht war und gleichzeitig ein Regenguss runterkam, standen wir am Fenster, um das Schauspiel zu betrachten, und in den Nachbarhäusern ringsum unzählige Gesichter an den Fenstern, Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Dann lief eine Frau die Straße runter, mitten auf der Straße, durch den Regen, barfuß, laut lachend, eine Szene wie in einer Romcom.

C.s Whatsapp.-Nachricht sagt mir, dass alles in Ordnung ist, die Apokalypse noch etwas wartet, er und das Kind spielen draußen. Mein Kind ist jetzt schon sehr viel länger zuhause, als ich mir das jemals vorgestellt habe, ich wollte nach 12 Monaten Betreuung in Anspruch nehmen – davon schrieb ich ja schon im Rahmen dieses Tagebuchs. Erst schien es unmöglich einen Platz zu bekommen. Und jetzt scheint es keine Ende nehmen zu wollen, dass wir Arbeit und Kind ohne Betreuung jonglieren. Kurz vor der Kita-Eingewöhnung kam der lockdown. Nach den neuesten Regelungen erfüllen wir zwar die Anspruchsbedingungen für die Notbetreuung, auch eine Eingewöhnung, aber unsere Kita ist ganz klar überfordert und verunsichert und stellt sich quer. Die Verunsicherung finde ich einerseits total nachvollziehbar, aber leider gibt es keinen nennenswerten Dialog darüber, stattdessen werden diese Überforderung undoder diese unausgesprochenen Ängste einfach auf unserem Rücken ausgetragen. Wir sind beide erschöpft. Wir müssen raus aus der Alltagssituation, wenigstens für eine Woche. C. nimmt sich Urlaub.

Der Ausnahmezustand der Belastung ist auf Dauer für niemanden zumutbar: Es müssen Lösungen gefunden werden, für alle Eltern und Alleinerziehenden.

Am späten Abend fassoniere ich C.s undercut nach, wie ich es seit Beginn des lockdown schon öfter gemacht habe. Ich bin ehrgeizig. Diesmal will ich den Übergang besonders gut hinbekommen, und rasiere dabei ein kahles Loch mitten in seine Schädelflanke. Unser Lachen hallt im Badezimmer. This too shall pass.

 

Rike, Köln

was habe ich gesehen. ich habe gesehen: verschiedene menschen in 3,5m entfernung halten plakate hoch, sie stehen in abgeklebten gaffa-dreiecken einzeln. ich vermute, dass die sprechchöre nicht aufkommen (können), weil der menschliche abstand zu groß ist. es wirkt so: den leuten ist die demo oder das demonstrieren eher peinlich. aber das ist es nicht, nur mir ist es peinlich, oder unangenehm, wer wie klingt, könnte man genau raushören. Ich will in einer masse untergehen. eine lose bekannte legt sich ohne atemschutzmaske mit einer polizistin an, die eine modische brille trägt, die sich drüber aufregt, dass sie von der losen bekannten geduzt wird. die frau sagt: aber du wirst immerhin gut bezahlt, nachdem die polizistin etwas sagt, das auf eine 12stundenschicht hindeutet. die polizistin möchte verstanden werden und nicht immer die böse sein (meine interpretation). Ich wackle zwischen empathie für beide hin und her. ich mag das goldene gestell ihrer brille. Ich lasse jeden oberflächlichen gedanken zu. ich bin immer noch eine demonstrationstouristin. das hier, das macht nicht mut, es ist nur absurd. der mann, der das einzige megaphon bedient, das da ist, hat immer wieder hustenanfälle, während er von systemrelevanz, geschlossenen krankenhäusern, und etwas anderem erzählt. ich mache ein albernes selfie von mir in meiner blauenwolkenmaske, die mich aussehen lässt wie ein riesenbaby und den blauen beamten im hintergrund, die mit schnabelmasken eng aneinander gedrängt verloren neben einer garage stehen. sie sind nicht verloren. Der mann macht witze, dass sie die 3,5m nicht einhalten, ins megaphon. Ich mache witze über die ironie der neuen vermummungspflicht auf demos. Nachmittags: Es gewittert an vielen stellen in einem der länder mit den zufälligen grenzen (zufällig meins). Ich will nicht die Nachrichten lesen. (Es hilft gerade nicht weiter). (Heute aufgeben, vielleicht kommt morgen eine neue idee.)

 

2.5.2020

 

Jan, Hannover

Diese Müdigkeit ist eine einzige, unhaltbare Zumutung. Betont beiläufig kam sie vor ungefähr zwei Wochen angeschlendert, vergrub sich eines Nachts tief in meinem Körper und verschanzt sich seither dort. Jetzt schleppe ich mich durch die Tage, Last und Lastenträger zugleich, ein Packesel meiner selbst. Wenn ich an die frische Luft gehe, überkommen mich ausdauernde Gähn-Attacken, von denen mir am Ende des kleinen Ausmarschs die Kiefergelenke schmerzen. Drinnen geht es. Das wäre überhaupt ein guter Titel für meine Autobiographie: «Drinnen geht es».

Für gewöhnlich bereitet mir ein Gähnen schamloses Wohlgefühl, aber das Gift liegt in der Dosis, wie ein früherer Chef (in anderem Zusammenhang) so häufig zu mir sagte, dass ich ihm schließlich recht geben musste. «Ich bin so müde, vergähne mein Leben im Zeitlupentempo», sang Christiane Rösinger, die große Songwriterinnen-Liebe meines Lebens, und überhaupt fühlt sich der Lockdown mittlerweile an, als wäre er nur nach ihrem alten Lassie-Singers-Stück «Ist das wieder so ’ne Phase» geformt. Ich schlurfe durch die Tage, durch die Wohnung, diesen Parcours meiner ziellosen Selbstbeschäftigung, mit hängenden Schultern, mit gesenktem Kopf, die Augen jucken, die Fußsohlen schleifen träge übers Industrieparkett. Drinnen geht es, oder, wie Christiane Rösinger mit ihrer zweiten Band Britta sang: «Alles, was draußen liegt, tut weh.»

Früher wurden in dem Gebäude, in dem ich in diesen Wochen den Lockdown aussitze, Fabrikwerkzeuge hergestellt, mit denen wiederum Lokomotiven, Traktoren, Kanonen, U-Boot-Teile und Baumaschinen produziert wurden. Heute ist mein Werkzeug ein Notebook, das ich auf meinen übereinandergeschlagenen Oberschenkeln balanciere und in das ich Worte eingebe und noch mehr Worte, ohne dass sie eine Richtung einschlagen oder einen Rhythmus aufnehmen wollen.

Seit ich mich in Distanzierung vom äußeren Ansteckungsgeschehen in den umbauten Raum zurückgezogen habe, auf die mir zugeschriebenen Quadratmeter des Dämmerns und  Vor-sich-hin-Wohnens, habe ich nicht mehr richtig Musik gemacht, vielleicht ist das ein Grund dafür, dass ich keinen Groove mehr finde. Das Leben schlurft, und die Müdigkeit frisst sich durch alles hindurch. Mein Lesesessel, der auch zum Schreib- und Surfsessel geworden ist, passt sich dem Druck und der Form meines Körpers an, verschmilzt mit ihm, wächst um ihn herum, er nimmt meine Müdigkeit auf und gibt sie an mich zurück. Gemeinsam sind wir eine mächtige Maschine des Stillstands. Es ist eine Zumutung.

 

Berit, Greifswald

Ich leide unter Monotonie. Jeden Tag laufe ich 5000 Schritte die Straßen hinauf und hinab, jeden Tag bearbeiten die Kinder Arbeitsbögen, jeden Tag versuche ich einige der anfallenden Aufgaben zu erledigen, jeden Tag räumen wir Abends die Spielsachen zusammen. Nach wenigen Tagen liegt wieder auf allem Staub und es geht wieder von vorne los. Ich habe irgendwann zwischendrin vergessen, welcher Wochentag ist, einen wichtigen Termin verschlafen, einen Brief nicht rechtzeitig abgeschickt. Manchmal frage ich mich, ob die Zeit dadurch langsamer oder schneller verläuft?

 

Svenja, Köln

Die Autos sind wieder da. Sie fahren vor meinem Fenster, fast so laut wie vor der Krise. An der Eckkneipe stand heute eine Gruppe von Menschen um einen Tisch auf der Straße. Im Supermarkt ist es voll, niemand benutzt mehr Einkaufswagen und eine Frau kommt mir mit heruntergezogener Maske entgegen. Ich zucke zusammen und versuche mir vorzustellen, dass es einen guten Grund für ihr Verhalten gibt. Ich möchte allen Menschen sagen, dass sie ihre Masken nicht unters Kinn klemmen sollen, dass die Beule für die Nase ist, dass sie immer noch Abstand halten sollen. Die Stimmung auf der Straße ist ausgelassener und rücksichtsloser. Vielleicht können Menschen nicht lange in der Krise sein.

Am Abend verlinkt jemand einen Artikel aus dem New Yorker. Ich lese von dem anderen Krankheitsverlauf, von Lungen-, Nieren-, Gehirn- und Herzschäden, von Blutgerinnseln, unauffälligen Symptomen und ärztlicher Ratlosigkeit.

 

3.5.2020

 

Fabian, München 

Wie wäre es eigentlich, den Fußballbedürfnissen diverser gesellschaftlicher Größen dahingehend nachzugeben, die einschlägigen Austragungsorte zu Hochsicherheitseinrichtungen mit eigenen Laborkapazitäten und Testproduktionsanlagen aufzurüsten, zur möglichst autarken Kasernierung der Spieler et al.. Gut, geisterspielen müsste man dennoch, und auch gerade der internationale Austausch als vielleicht wesentliche Grundlage fantastischer (oder feuchter) Transfairzahlungsträume fiele aller Wahrscheinlichkeit nach aus, aber zumindest dem Fernsehpublikum wäre etwas geboten, und wer weiß, der eine oder andere Privatsender hätte sicher Interesse, das Leben der Spieler zwischen Feld und Tribünen nach dem Vorbild bekannter Scripted Reality-Formate zum sozialen Experiment aufzuwerten.

 

Sandra, Berlin

Es ist Sonntag Abend. Wir haben beschlossen, Montag fällt aus. Die ganze nächste Woche fällt aus. Wir nehmen uns eine Woche raus aus allem. Geht sich das aus? Wir werden sehen. Ich werde berichten.

4.5.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Meiner älteren Nachbarin ist langweilig. Sie sieht traurig aus, als sie mir meinen Teller (ich hatte ihr frischgebackene Ingwerkekse vor die Tür gestellt) über den Gartenzaun reicht. Wie mir stehen ihr die Haare zunehmend zu Berge. Sie vermisst ihre Unabhängigkeit. Allein einkaufen zu gehen. Alte Freundinnen zu besuchen, die weiter weg wohnen, so, wie sie es jedes Jahr macht. Eine von ihnen hatte am Telefon gesagt, dass sie Glück hätten, weil sie an das Alleinsein gewöhnt seien. “Wie aber geht es jetzt denen, die gerade jemanden verloren haben? Ich erinnere mich noch gut daran, wie das bei mir damals war.” –– Andere Frauen, mit denen ich mich austausche, erleben den Lockdown auch als positiv. Mehr Zeit für den Garten, das Kind. Das Leben entschleunigt. Trotz neuer Herausforderungen, wie der digitalen Lehre, oder, im Gegenteil, der Abwesenheit von Berufstätigkeit, weil frau in den bezahlten Urlaub geschickt wurde. –– Im Deutschlandfunk kommentiert ein Soziologe, dass es zwei Gruppen von Menschen gebe: jene, die den Lockdown fast unerträglich finden und jene, die sich darin nicht nur eingerichtet haben, sondern sogar wohl fühlen. Ich befinde mich irgendwo dazwischen, denke ich erst, erkenne aber dann, dass ich einem Selbstbetrug aufsitze, denn was mir wirklich zunehmend fehlt, ist Bewegungs-, Reise-, Interaktionsfreiheit. Nicht Freiheit in einem abstrakten, wie auch immer idealen oder idealisierten Sinne, sondern ganz praktisch. Spezifisch die Freiheit, meine Familie zu besuchen. –– Dazu passt die verstärkte Polizeipräsenz, die mein Mann und ich auf unserem wochenendlichen Spaziergang bemerken. Fünf Polizeiwagen auf Streife in einem Zeitraum von zwei Stunden (wohlgemerkt am Stadtrand). Das ist nicht normal. Das ist einfach nur neu. Und es bereitet mir enormes Unbehagen. Da kann ich verstehen, warum andere, gerade frisch eingezogene Nachbarn, zumindest in ihren Garten immer mal einen Gast einladen, oder zwei. Oder dass es mittlerweile Untergrund-Friseur-Netzwerke gibt. Oder Menschen, die dagegen aufbegehren, nachts nicht mehr unterwegs sein zu dürfen, dabei wollen sie doch nur Sternschnuppen beobachten. Unter Einhaltung aller Abstandsregeln, versteht sich. Langweilig ist mir übrigens nicht. Oder vielleicht doch.

Tag für Tag festhalten, reflektieren, revidieren – Notizen zur Zeitwahrnehmung in Corona-Tagebüchern

Tagebücher als Krisenphänomen: Während der Corona-Pandemie tauchten vielerorts und in verschiedenen medialen Formaten Journale auf und werden zum Teil bis heute weiter fortgesetzt. Die Konjunktur des Tagebuchs wurde auch vom Feuilleton schnell als Thema aufgegriffen, wenn auch nicht unbedingt mit positiver Wertung. Julia Encke schrieb in der FAS vom 5. April von „Gedankenkitsch“ und urteilte, dass „mit diesem ganzen hohlen Pathos und der Trostprosa […] gar nichts gewonnen“ sei. Marie Schmidt verschob in der Süddeutschen Zeitung vom 16. April den Akzent ein wenig. Auch sie beschreibt zwar das „Protokoll der Krise“ als so „vielstimmig und wirr wie die Krise selbst“, stellt aber die Frage, wie denn überhaupt literarisch über sie zu schreiben sei. Beide greifen in ihren Beiträgen Fragen auf, die Kathrin Röggla schon in einem Text in der FAZ vom 21. März mit dem Titel „Prognosefieber“ thematisiert hatte: dass jene Versuche des Auf- und Mitschreibens vor allem in Hinblick auf Verschiebungen in der Zeitwahrnehmung zu perspektivieren seien. Literatur müsse sich einmal mehr als Zeitkunst beweisen. Diese Forderung steht im Kontext unzähliger Äußerungen zur Zeitwahrnehmung in der Corona-Pandemie, die im Philosophie-Magazin genauso zu finden sind wie im Tagesspiegel, in den Twitter-Timelines genauso wie in den angesprochenen Tagebüchern. Um diese geht es im Folgenden im Besonderen. Als Gegenstand der Diskussion im DFG-Forschungsprojekt „Schreibweisen der Gegenwart. Zeitreflexion und literarische Verfahren nach der Digitalisierung“ an der Universität Greifswald  dienten insbesondere das kollektive Tagebuch auf 54books, das Journal von Carolin Emcke in der Süddeutschen Zeitung sowie das mehrstimmige Tagebuch auf der Internetseite des Literaturhauses Graz unter Beteiligung von Kathrin Röggla.

 

(Wollte ja immer dabei sein, wenn „Geschichte passiert“, Kubakrise und sowas. Findet man auch nur, wenn man den Ausgang schon kennt, wird mir gerade so bewusst.)

— ellebil (@ellebil) March 15, 2020

Welchen Wert haben Tagebücher, die wissend für die Öffentlichkeit geschrieben werden? Unter einem Tagebuch versteht man zunächst die Sammlung intimster Gedanken, es ist eine Form der privaten Reflexion, es wird nicht geschrieben, um eine Wirkung auf Lesende zu haben. Besondere Formen stellen die Journale von Literat*innen dar, da diese sich der nachträglichen Veröffentlichung vielleicht schon beim Verfassen bewusst waren. Bei den Corona-Tagebüchern, die momentan überall und in jeder Form (als Video, Podcast oder Text) zu finden sind, gibt es verschiedene Ansätze. Teils schreiben (oder streamen) Privatpersonen, teils Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, wie etwa der Wirtschaft. Es sind häufig Texte von Menschen, die von Entschleunigung sprechen und diese auch persönlich im Home-Office in den eigenen vier Wänden, oft mit Balkon oder Garten, wahrnehmen. Verzerrt es nicht die Realität, wenn hauptsächlich die dokumentieren, die vom Kampf gegen die Pandemie am wenigsten spüren? Wenn sie nicht aus dem Krankenhaus, dem Supermarkt oder vom Leben auf der Straße berichten, was für eine Funktion haben die Tagebücher dann? Sie versuchen, den Ausnahmezustand festzuhalten, zu verarbeiten, zu bewerten, jedoch nicht nur für sich, sondern auch für alle anderen. Wie der Hashtag #weareallinthistogether vermitteln die Tagebücher Trost und stiften Gemeinschaft. Aus ihnen ist herauszulesen, dass die Monothematik der Coronapandemie und der gesteigerte Nachrichtenkonsum mehr und mehr Menschen bedrücken. Für wen sind die öffentlichen Tagebücher dann geschrieben? Wenn das gegenwärtige Publikum nicht interessiert ist, bleibt der Blick in die Zukunft. Coronatagebücher sind Dokumente, die für die Zeit nach Corona geschrieben werden und vermutlich auch im Herbstprogramm der Verlage zahlreich vorhanden sein werden.

Auf dem Blog 54books  ensteht ein kollektives Tagebuch von 29 Autor*innen, das mit dem Ziel geführt wird, Veränderungen zu dokumentieren und u.a. Tweets zu archivieren. Das gemeinsame Schreiben an einem Projekt, das die durch die Pandemie geschlossenen Landesgrenzen überwindet, führt schon während des Entstehungsprozesses zur psychischen Erleichterung bei den Autor*innen: „Ich merke, wie gut mir das Schreiben an diesem kollektiven Tagebuch tut. Manchmal, wenn ich eine Notiz hinterlassen will, sehe ich, dass andere gerade auch schreiben, und ich stelle mir vor, wie sie irgendwo auf dem europäischen Festland vor ihren Bildschirmen sitzen und tippen und korrigieren, während ich hier an meinem Schreibtisch auf der Insel genau das Gleiche mache. Eine Gemeinschaft von Schreibenden in Zeiten der sozialen Distanz“ (Marie Isabel Matthews-Schlinzig, 54books). Die unmittelbare Gegenwart im Schreibprozess kombiniert mit der Gleichzeitigkeit des Schreibens als Erfahrung gemeinsamer Gegenwart steht der verzögerten Veröffentlichung gegenüber: Die Texte sind schon veraltet, wenn sie erscheinen.

Es sind Spannungsverhältnisse, die die Zeitwahrnehmung dominieren: Hartmut Rosa spricht von einer erzwungenen Entschleunigung, die für uns körperlich und wirtschaftlich spürbar ist. Diese Lücke, die die scheinbar freie Zeit mit sich bringt, wird nach Rosa von der „mediale[n] Berichterstattung über das Fortschreiten der Epidemie in Echtzeit […| symptomatisch“ ausgefüllt. „Das soziokulturelle Leben spaltet sich gerade in ein physisch entschleunigtes ‚realweltliches‘ und ein hyperventilierendes digitales Leben.“ Auch in den Tagebüchern von 54books spiegelt sich dieser Aspekt wider. Auf der einen Seite wird die Entschleunigung des Alltags bemerkt, die sich bei einem Autor sogar auf das Lesetempo auswirkt: „Ich lese mehr, ich lese langsamer“ (Viktor Funk, 54books). Auf der anderen Seite steht ein zunehmendes Unwohlsein, das sich im Umgang mit den Sozialen Medien entwickelt: „Die Menge an Berichterstattung und digitalem Lärm steht in einem schwer aushaltbaren Missverständnis zur (scheinbaren?) Ungewissheit der Situation“ (Marie Isabel Matthews-Schlinzig, 54books). Oder: „Ich lese regelmäßig twitter und merke, dass es nicht gut tut, ich es aber auch nicht lassen kann. Jede*r postet ständig Artikel wie es jetzt weitergehen könnte. Es entstehen Diskussionen über Fake-News, die heute keine Fake-News mehr sind. Alle regen sich auf, niemand weiß genaues“ (Charlotte Jahnz, 54books). Die Stimmung ist angespannt und dominiert von der Sorge um eine ungewisse Zukunft. Marlene Kayen, die Vorsitzende des Deutschen Tagebucharchivs, begründet in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung die Konjunktur des Tagebuchschreibens wie folgt: „Ich habe den Eindruck, dass sie sich einen kleinen Fluchtraum aufbauen, in den sie sich zurückziehen und ungefiltert Sachen aufschreiben. Vielleicht lassen sich deshalb an Tagebüchern so gut psychische Entwicklungen beobachten.“ In den Journalen werden nur die subjektiven Wahrnehmungen der Pandemie festgehalten, hier wird die enge Verknüpfung von persönlicher Wahrnehmung und Zeit besonders deutlich. Es ist eine gegenwärtige Fokussierung auf den Moment, ein Konservieren des Jetzt und eine Form der Beruhigung, da es für den Moment des Schreibens nur um das Jetzt geht. Die wegfallende, gewohnte Strukturierung eines Tages, verbunden mit dem Warten auf Neuigkeiten und das Ende der Pandemie, führen zu einem Schwebezustand, zu einem Leben neben der Zeit. Maike Ladage schreibt dazu auf 54books: „Immerzu verwundert. Ausnahmezustand ständig präsent, gleichzeitig seltsames Aus-der-Zeit-Fallen und ganz Gegenwärtig-sein.“ Das tägliche Schreiben liefert den Rhythmus, der dem Alltag mittlerweile fehlt, selbst die Bus- und Zugpläne folgen nun einer anderen Zeitrechnung: „Seit Mittwoch ist jetzt immer Samstag. Die Kölner Verkehrsbetriebe haben eine neue Zeitrechnung für uns angefangen.“ (Rike Hoppe, 54books)

Zuletzt sind Tagebücher aber auch eine Form, etwas von sich zu konservieren und zurückzulassen, weil selbst der eigene Ausgang ungewiss ist. Das Schreiben tritt somit dem Vanitas-Gedanken entgegen, der durch den Tod als definitiven Endpunkt der Lebenszeit aktuell präsenter ist: „Die Verheerungen, die das Virus anrichtet, sind unserer Fantasie überlassen. Sterbende bleiben isoliert, nicht einmal Angehörige dürfen zu ihnen. Der Weg, den letztlich jeder allein geht, ist nun ein einsamer. Ihre Gesichter sehen wir dann manchmal doch: Wenn sie uns aus italienischen Todesanzeigen entgegenblicken, noch aus dem Leben, aus ihrer Vergangenheit in unsere Gegenwart“ (Marie Isabel Matthews-Schlinzig, 54books).

(Lena Pflock)

***

Bis vor einigen Wochen war es noch die Digitalisierung, die von vielen für eine grundlegend veränderte Zeitwahrnehmung, eine radikale Fokussierung auf die Gegenwart und einen neuen Begriff von Gegenwart verantwortlich gemacht wurde. Dabei war nicht immer klar, ob durch die digitalen Medien nun eine „breite Gegenwart“ (Gumbrecht) entstanden ist, die von nicht vergehenden Vergangenheiten überschwemmt wird, oder ob der „present shock“ (Rushkoff) im Gegenteil eine Kultur des Präsentismus hervorgebracht hat, in der Vergangenes instantan vergessen wird. Und auch die Frage, ob alles immer schneller wird, wenn alles jetzt passiert, oder vielmehr Stagnation und Stillstand zu verzeichnen sind, blieb zwischen den divers zirkulierenden gegenwartsdiagnostischen Statusmeldungen offen. Einig war man sich nur darin, dass sich die Wahrnehmung und das Verständnis von Gegenwart krisenhaft verändert haben und dass diese Veränderungen mit dem Schlagwort der Digitalisierung erfasst und begründet werden können.

Das neue Coronavirus sorgt nun für eine merkwürdige Überlagerung und Verschiebung dieser Thesen, Debatten und Szenarien, für eine verschobene Wiederholung, die die einschlägigen Stichworte aus dem Digitalisierungsdiskurs – weltweite Netzwerke der Übertragung, der Zustand des always-on, permanente Aktualisierung – wie auch die entsprechende Krisenrhetorik auf einer anderen Ebene reproduziert und reanimiert. „In der Krise, die uns alle derzeit so fordert, erleben wir einen Moment enorm verdichteter und beschleunigter Gegenwart“, stellt, wie viele andere, Ende März 2020 der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Armin Laschet fest und folgert: „Das Jetzt fordert unsere ganze Aufmerksamkeit.“ Hier werden nun nicht die digitalen Medien, die alles auf die Gegenwart ausrichten, als Verursacher einer Krise identifiziert, der „Moment enorm verdichteter und beschleunigter Gegenwart“ wird vielmehr auf ein Virus zurückgeführt. Auf ein infektiöses, halblebendiges Etwas, das, wie zwischenzeitig spekuliert wurde, auf „nassen Märkten“, zwischen weggespültem Blut und Dreck, von Tieren auf den Menschen übergesprungen sein soll, mittlerweile aber weltweit zirkuliert und mehr oder weniger zeitgleich die ganze Menschheit betrifft.

Dass viele darüber im Modus ständig aktualisierter, sich schnell ausbreitender Updates informiert werden, ist dann aber doch wieder der Digitalisierung geschuldet, die das etablierte System der Massenmedien durch die Kanäle der Sozialen Medien maßgeblich ergänzt und erweitert, sodass sich ein merkwürdige Parallelität der Topik des Viralen ergibt: Der exponentiellen Ausbreitung des Virus korrespondiert in noch nicht hinreichend berechneten Ausmaßen die rasante, durchaus treffend als ‚viral‘ bezeichnete Ausbreitung von Nachrichten, Gerüchten und individuellen Statusmeldungen zum Virus – und mithin auch die Ausbreitung der Auffassung, dass es unsere Zeitwahrnehmung grundlegend verändert. Verstärkt wird dieser Eindruck auch dadurch, dass dieses Coronavirus neu ist und seine Aktivitäten wie deren Folgen in vielen Hinsichten unabsehbar sind. Selbst diejenigen, die sich professionell mit Viren befassen, wissen immer noch vergleichsweise wenig über es und müssen den zwischenzeitig erreichten Wissenstand permanent revidieren, korrigieren und aktualisieren.

Auch deshalb liegt es nahe, dass der unübersichtlich mehrgleisigen Zirkulation viraler Prozesse zwischen Menschen und Medien geradezu massenhaft mit dem Schreiben von Tagebüchern begegnet wird. Der Rekurs auf ein etabliertes, spätestens seit Samuel Pepys Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert zudem epidemieerprobtes Medium ermöglicht es, den diffus global zirkulierenden Bedrohungsszenarien mit einer individuell begrenzten, selbst fokussierten Perspektive zu begegnen, die durch die Veröffentlichung in den Sozialen Medien aber zugleich den Anschluss an andere oder auch den öffentlichen Diskurs ermöglicht, über die vermeintlich eigene Filterblase oder die weiter ausgreifenden Netzwerke digital vermittelter Kommunikation.

Als Medium der Fokussierung auf die Gegenwart, mit dem man das, was aktuell passiert, Tag für Tag festhalten kann, in dem Veränderungen (wie auch deren Ausbleiben) schrittweise notiert, reflektiert und, gegebenenfalls gleich am nächsten Tag, revidiert werden können, wirkt das Tagebuch der derzeitigen Situation auf besondere Weise angemessen. Da es zugleich einen Rahmen bildet, in dem ohnehin häufig über Zeitverhältnisse reflektiert wird, insbesondere über die Aporien und Paradoxien der schriftlich vermittelten Gegenwartsfixierung, ergeben sich schnell weitere Interferenzen mit eben der Situation, die durch das Virus entstanden ist.

Viele der aktuell entstehenden Corona-Tagebücher thematisieren nicht nur, sondern reproduzieren auch selbst jenes Neben- und Miteinander von Verlangsamung und Beschleunigung, das auch im politischen Diskurs den Eindruck eines „Moments enorm verdichteter und beschleunigter Gegenwart“ prägt. Einerseits liegt die „Halbwertszeit vom Neuigkeitswert“, wie Kathrin Röggla in ihrem Corona-Tagebuch auf der Website des Literaturhauses Graz feststellt, „bei ca. sechs Stunden“, andererseits ist, wie sie nahezu zeitgleich in einer Tageszeitung, der FAZ, ergänzt, „das öffentliche Leben stillgestellt, das Sozialleben eingefroren“. „Ich kann nicht Schritt halten, der Diskurs bewegt sich in rasender Geschwindigkeit vorwärts, die Situation kann sich jederzeit ändern. Was heute dementiert wird, ist morgen Realität“, reflektiert Röggla eine auch in vielen anderen Corona-Tagebüchern geteilte Wahrnehmung der aktuellen Situation. Wenn sie feststellt, dass sich alles „zu schnell“ bewegt und alles „morgen“ schon „durch neue Nachrichten“ abgelöst wird, beschreibt sie zugleich aber auch den üblichen Aktualisierungsmodus von Tagebuch und Tageszeitung. Der zeigt allerdings, trotz digitaler Vernetzung, in der gegenwärtigen Situation geradezu überdeutlich seine Grenzen: „Ich komme also nicht durch zu der Gegenwart der Lesenden“, schreibt Röggla angesichts einer fünftägigen Verzögerung bei der Veröffentlichung des Online-Tagebuchs, „bin irgendwie in der Vorzeit zuhause, aus der ich wie hinter dicken Glasscheiben winken kann, während es, kaum dass ich es niedergeschrieben habe, schon heißen kann: ‚Ha, damals, als wir noch diese Probleme hatten!‘“ Dieses eher redaktionell denn medial verursachte Problem verschiebt sich nochmals im Blick auf den Zeitindex der Maßnahmen und Prognosen, mit denen der Ausbreitung des Virus begegnet wird. Da man immer erst ein, zwei Wochen später wissen kann, was die aktuell durchgeführten Maßnahmen gebracht haben, ist im Prinzip auch die unmittelbare Gegenwart schon von dicken Glasscheiben umstellt, die verspätete Einsichten, verfrühte Aktivitäten und angemessene Aktualisierungen nicht immer als solche sichtbar machen (was aber vielen auch schon vor Corona als Kennzeichen der Gegenwart galt).

Röggla hebt noch eine weitere Form dieser Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen hervor, die gegenwärtig besonders deutlich hervortritt, aber genau genommen auch schon früher zu beobachten war: „Während immer neue Nachrichten hereinbrechen in immer engmaschigerem Takt, deren Hyperaktualität seltsamerweise noch nicht einmal enervierend wirkt, verhält es sich doch oft so, als würde ich das immer Gleiche lesen.“ Die monothematische Fokussierung nahezu aller Kommunikationsmedien zeitigt ihre hypnotischen, zugleich aufregenden wie beruhigenden Effekte nicht zuletzt dadurch, dass permanent auf allen Kanälen gesendet wird, auch wenn es, wie häufig, nichts, zumindest nichts Neues zu melden gibt. Die vielen Tagebücher und die ungezählten Statusmeldungen in Sachen Corona, die viele Timelines der Sozialen Medien wie einen monothematisch fokussierten Gruppenchat erscheinen lassen, reflektieren diese Konstellation gewissermaßen in Echtzeit – und setzen sie eben dadurch im Modus der Logik des Viralen auch fort.

„Kann es sein“, fragt sich Thomas Stangl im Grazer Corona-Tagebuch, „dass all das, was uns eben noch als gegenwärtig, aktuell, dringlich erschienen ist, von nun an völlig fremd wird, weil sich einfach das Koordinatensystem geändert hat?“ Und Kathrin Röggla schreibt: „Werde ich jetzt eine Springerin zwischen den Zeiten (Gegenwart, Zukunft 1 und Zukunft 2, rasende Vergangenheit)? Zukunft ist durch die drohende Destabilisierung auf heikle Weise wieder vielfältig geworden, die breite Gegenwart beendet. Diese Schwierigkeiten werden uns noch lange begleiten. Es ist nicht abzusehen, was das heißt, dass jetzt eine neue Ära beginnt.“ Der Vorschlag, den Röggla im Nachdenken über die Rolle von Prognosen aus ihren eigenen Prognosen ableitet, ist so einfach wie komplex und bildet nicht zuletzt einen brauchbaren Gegenentwurf zu der von Paolo Giordano in seinem Corona-Tagebuch schon jetzt in Buchform vorliegenden Forderung, „der Epidemie einen Sinn zu geben“.

Röggla setzt auf das Programm einer Literatur, das möglicherweise auch deshalb angemessen und zeitgemäß wirkt, weil es für viele – auch für Röggla – nur bedingt ein grundlegend neues Koordinatensystem oder den Beginn einer neuen Ära in Aussicht stellt: „Eigentlich wären Texte ja hilfreich, die versuchen, die Lage zu erkennen, und insofern sich doch der konkreten Beschreibung des Alltags zuwenden, aber eben einer, die nicht auf etwas hinaus will, der Matrix eines Alarmismus genauso wenig wie dem Programm einer Weltrettung folgend, einer der gemischten Realitäten, die dem Nebeneinanderher von neuer Logik, alten Problemen, unerwarteten Auswirkungen der Situation gerecht wird. […] Es wird ein Arbeiten mit verschiedenen Zeitmodi sein müssen, die Zeitebenen müssen wieder in Kontakt miteinander kommen, und so wird sich Literatur in dieser Situation mehr denn je als Zeitkunst erweisen müssen.“

(Eckhard Schumacher)

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Durch die Veröffentlichung im Wochentakt verlieren die Corona-Tagebücher bereits ihren unmittelbaren Tagesbezug: Es werden schon beim Lesen nur Rückblicke vermittelt, man denke beispielsweise an die inzwischen selbstverständlichen Kontaktsperren, die in den jeweiligen Beiträgen gerade erst erlebt werden. In dem Sinne ermöglichen Corona-Tagebücher auch schon Tage nach ihrer Veröffentlichung ein kollektives Erinnern an gemeinsam erlebte Maßnahmen, vertraute Gedankengänge werden dort noch einmal aufgerollt; sie haben aber auch eine schwierige Beziehung zu der gegenwärtigen Lektüre, streuen noch mehr Reflexionen in die Monothematik der Coronapandemie und geben Einblick in einen veränderten Alltag, dem die aktuell Lesenden bereits selbst ausgesetzt sind. Dementsprechend tragen sie zur Stiftung einer kollektiven Identität bei und dienen als Orientierungshilfe, funktionieren aber vor allem als (kulturelle) Archive für folgende Generationen, indem die Tagebücher als gewählte Publikationsform Authentizität und Teilhabe vermitteln können.

Gemeinsam ist den Tagebüchern allen: die Zeitphasen sind beleuchteter denn je. Ein rasantes Tempo in der Ausbreitung des Virus und die folgenden politischen Maßnahmen lassen Beiträge und Gedanken schnell als überholt erscheinen, die Berichterstattung in Echtzeit und die Omnipräsenz des Themas in den Nachrichten führen nicht selten zu dem Eindruck einer sich überschlagenden Gegenwart. Kathrin Röggla erkennt in ihren Beiträgen zum Corona-Tagebuch des Literaturhauses Graz darin ihre eigene Position als Schreibende, in der sie „nicht durch zu der Gegenwart der Lesenden“ kommen könne und stattdessen in der „Vorzeit zuhause“ sei.

Eben dort empfindet Nava Ebrahimi bereits den Ausspruch ihres Sohnes, er habe im Traum mit seiner Oma Pizza gegessen, „wie ein Echo aus einer anderen Zeit“. Schon die Monate vor Corona liegen im Zeitempfinden so weit zurück, dass die Vergangenheit weiter wegrückt, nicht mehr erreichbar ist. Die jetzt so erwünschte „Normalität“ wird wie aus einer anderen Welt erlebt, in der sich Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr richtig aneinanderfügen können. Der durch die Pandemie empfundene Orientierungsverlust wird von den einen durch eine Flucht in ihre Erinnerungen an vergangene Zeiten, Kindheitsmomente und frühere Reisen kompensiert, andere versetzen sich in eine imaginierte Nach-Corona-Welt, in der die Möglichkeiten wieder unbegrenzt erscheinen. Carolin Emcke hingegen stört sich in ihrem Tagebuch in der Süddeutschen Zeitung an den vielen Fragen des „Danach“, des Erinnerns an die Pandemie. Sie seien bloß „ein Fluchthelfer der Phantasie“, stattdessen empfindet sie die Gegenwart, ihre Gegenwart, als übrig gebliebenen Handlungsraum, der „sich verwandeln lässt in etwas, das [ihr] gehört“.

So unterschiedlich das Zeitempfinden bereits innerhalb der Tagebücher ist, so wenig bildet es dennoch das Empfinden derjenigen ab, die gar nicht die Zeit haben, um über das Verhältnis der Zeiten zu sinnieren. Tagebuch zu schreiben ist auch ein Privileg. Wenn der Soziologieprofessor Hartmut Rosa in einem Interview mit dem Philosophie Magazin äußert, dass wir nun dem „Alltagsbewältigungsverzweiflungsmodus“ entfliehen könnten und jetzt Zeit hätten, kann dies angesichts der Sorge um das finanzielle, vor allem aber gesundheitliche Überleben vieler und der intensiven Mehrbelastung systemrelevanter Berufe schwer für die Gesellschaft insgesamt greifen. Trotzdem sieht Rosa das Potenzial eines kollektiven Resonanzmomentes und damit von etwas kollektiv Neuem sowie die Chance, dem „Hamsterrad“ unserer auf Steigerung fixierten Gesellschaft zu entkommen und stattdessen zu entschleunigen. Es wird sich zeigen, wie allgemeingültig sich der Eindruck von Entschleunigung und einem anderen Lebenstakt halten kann, oder ob es, angesichts der jetzt schon wieder öffnenden Geschäfte und Lockerungen, für manche nur ein kurzer Ausflug in ein langsameres, verändertes Leben war. Vielleicht wird sich das Zeitverständnis nicht so monumental ändern, wie es aktuell stellenweise vermutet wird, sicher ist bloß: Die Zeit ist spürbarer geworden. Lebenszeit, Gesprächszeit, Kontaktzeit, Arbeits- und Freizeit werden für manche aus einer neuen Perspektive beleuchtet, für andere sind sie schwieriger einzuteilen, aber ob die Pandemie zur kollektiven Erfahrung eines neuen Zeitempfindens führt, wird sich angesichts der heterogenen Lebensrealitäten zeigen müssen.

(Annica Brommann)

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Die Krisentagebücher, die jetzt geschrieben werden, offenbaren auch eine Krise des Tagebuchschreibens – zumindest jenen Tagebuchschreibens, das versucht, die Krise zu erklären. Und sie offenbaren die Krise der Krise: Hartmut Rosa sieht die (Corona-)Krise als Bestätigung dessen, was ihm ohnehin bereits klar war: Dass die Krise der Dauerzustand ist, schon lange die Normalität ersetzt hat. Was will man also noch sagen bzw. schreiben? Und warum soll das jemand lesen? Wer überhaupt? Jemand aus der Zukunft? Schreiben für eine ‚neue Normalität‘, wie sie heute beschworen wird?

Marlene Streeruwitz schreibt auf ihrer persönlichen Homepage darüber‚ wie „die Welt geworden“ ist, ihren selbstbewusst bis augenzwinkernd betitelten „Covid19 Roman“. Es ist nicht irgendeiner, keiner unter vielen – es ist „Der Covid19 Roman“. Darin geht es um Betty, die ihr Haus nicht verlassen kann und die von Versionen ihrer selbst und ihren Gewissensbissen heimgesucht wird. Der Roman gibt sich in der Betitelung der einzelnen Kapitel als Fortsetzungsserie aus, die bis heute (21. April 2020) eine Season mit zehn Folgen hat – wie gemacht zum Durchbingen. Dieses online verfügbare und fortgesetzte Schreiben macht zumindest ein Angebot, was den Lektüremodus in Zeiten der Coronakrise angeht: Lesen und Scrollen und Geschriebenes inhalieren, bis nichts mehr da ist. Wenn dann die Browseraktualisierung per F5-Taste kein Update mehr bringt, steht man da, alleingelassen vor so viel Gegenwart, mit der man etwas anfangen muss – wie nach einem sonntäglichen Netflix-Binge. Vor einem ähnlichen Problem (einer ähnlichen Krise?) steht auch das Schreiben in Streeruwitz’ ‚Covid19 Roman‘. Es versucht, täglich neu anzusetzen, um einer Gegenwart zu begegnen, die gerade jetzt vor einem steht. Als „Fläche. Ohne Richtungen“, wie es dort heißt. Dauert Gegenwart nur drei Sekunden oder wird sie hier flächig und erhält damit ein ganz anderes Format? Wenn die Corona-Tagebücher eines zeigen, dann, dass irgendwann der Vektor, das Koordinatensystem abhandenkommt, wenn man nicht mehr für die Zukunft schreibt oder versucht, die Gegenwart, die vor und unmittelbar hinter einem liegt, auf eine Prognose hin zu befragen. Irgendwann ist alles nur noch da. Wie eine Fläche.

„Wenn alles jetzt passiert“, so der Untertitel der deutschen Übersetzung von Douglas Rushkoffs Digitalisierungskritik Present Shock, dann kann das auch ganz ohne Akzeleration zu viel sein. Nehmen wir einmal an, die Gegenwart dauert wirklich nur drei Sekunden, dann kommt ja trotzdem direkt danach noch eine. Und noch eine und wieder eine. „I can’t stand feeling like this another second, and the seconds keep coming on and on.” So versucht Kate Gompert, eine Figur aus dem 1996 erschienenen Roman Infinite Jest von David Foster Wallace, auszudrücken, wie sich die Depression anfühlt, unter der sie leidet. Die Gegenwart prasselt auf uns ein, gerade jetzt, als Sturzregen von Sekunden (während die Tagebuchlektüre zumindest die Einsicht zu Tage gefördert hat, dass es in der Wirklichkeit schon seit Wochen nicht mehr geregnet hat). Der Vergleich mit der Depression scheint nicht allzu abwegig, so schreibt auch Marie Schmidt in der Süddeutschen Zeitung vom 16. April, Streeruwitz’ Texte handelten davon, „[w]ie sich die Gegenwart depressionsähnlich aufwölbt.“ Während Carolin Emckes Journal-Texte in der gleichen Zeitung flanierend und die Welt observierend Kreuzberg umschreiten, kommt hier die Risikogruppe zu Wort. Diejenigen, die die Wohnung nicht verlassen können und die in diesen Zeiten von… vor lauter Gegenwart nicht wissen, wohin. Das (Tagebuch-)Schreiben als therapeutische Maßnahme? Ein Schreiben, das nicht bereits im Moment des Entstehens auf Rezeption aus ist, das vielleicht sogar gar nicht um sie weiß, nur für sich schreibt, befreit von Aktualitätszwang?

Die Normalität, die Krise, die Gegenwart und wie man sie aufschreibt. Bei aller Aktualitätsforderung: Es scheint, als sei es gerade die Leere dieser Zeit, dem das Tagebuchschreiben begegnen könnte.

(Philipp Ohnesorge)

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Wann bricht ein Tagebuch ab? Kann man sich dafür entscheiden aufzuhören? Die Form der täglichen Eintragung könnte prinzipiell bis zum Tod des oder der Schreibenden fortgesetzt werden. Angenommen, der Anlass der Tagebücher, die die Corona-Pandemie begleiten, ist eine dreifache Verschiebung in der Zeitwahrnehmung: Erstens ein Bruch, der ein Bewusstsein der eigenen Geschichtlichkeit eröffnet. Zweitens die konkrete Erfahrung eines Stillstands oder einer permanenten Gegenwart, ohne dass ein Danach denkbar wäre. Diese Erfahrung ist drittens begleitet von einer verstärkten Wahrnehmung insbesondere digitaler Informationsverbreitung als eine Form der Beschleunigung. Wann wäre es unter diesen Voraussetzungen Zeit, die Corona-Tagebücher wieder zu beenden?

Der Bruch in der Zeit macht je nach Perspektive entweder etwas ganz anderes sichtbar oder gerade das, was sowieso schon da war, aber nicht gesehen wurde. Beispiel für ersteres wäre das Corona-Tagebuch in 54books, dessen Anstoß die Vermutung ist, einer grundlegenden Transformation beizuwohnen: „In diesem kollektiven Tagebuch wollen wir sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert.“ Auch bei Carolin Emcke, die für die Süddeutsche Zeitung in einem „Journal“ „politische-persönliche Notizen“ aufzeichnet, findet sich die Rede von „Wörtern, deren Bedeutungen sich verschieben“. Gerade in der ersten Woche akzentuiert Emcke die zeitliche Dimension der Verschiebung: 1. durch ein Zitat aus Büchners Leonce und Lena, in dem vom Aus-der-Zeit-Gehen die Rede ist; 2. durch die Kontrastierung ewig göttlicher Gegenwart, die sich in der Musik Bachs zeige, mit den täglichen Aktualisierungen zur Lage; und 3. durch verschiedene Formulierungen, die um einen Takt und einen Rhythmus der Zeit kreisen, der wieder in Einklang mit dem individuellen Rhythmus gebracht werden müsse. Im Gegensatz dazu steht die zweite Lesart. Der Bruch wird beispielsweise von den Beschleunigungstheoretikern Armen Avanessian und Hartmut Rosa auf je unterschiedliche Weise ins Spiel gebracht, beide sehen in ihm aber eine Bestätigung dessen, was sowieso schon vorhanden war: Gerade durch diesen Bruch werden die grundlegenden Probleme der kapitalistischen Arbeits- und Lebensweise sichtbar und die Notwendigkeit der Veränderung wird umso dringlicher. Genau genommen erkennen sie eine Kontinuität in der Makroperspektive auf das politische und wirtschaftliche System, wenn auch, zumindest bei Rosa, in der Mikroperspektive des eigenen Erlebens ebenfalls der Eindruck der Entschleunigung zu dominieren scheint.

Für die Tagebücher scheint diese Kontinuität jedoch nicht denkbar. Sie gehen vom Bruch aus und stellen ihm die Regelmäßigkeit des täglichen Aufzeichnens gegenüber. Sie setzen täglich neu an und wiederholen dadurch den Bruch, während sie ihn zugleich kompensieren. Die „Normalität“, die dem Bruch vorausgeht und die Voraussetzung des Tagebuchschreibens ist, wird im regelmäßigen Takt des Schreibens wieder aufgegriffen. Die Tagebücher werden dann irrelevant, wenn wir sie vergessen können, weil wir die Regelmäßigkeit des Aufzeichnens nicht mehr als Ausnahme wahrnehmen. Wenn die Wahrnehmung der Differenz, die der Bruch ist, der Indifferenz gewichen ist.

(Elias Kreuzmair)

Soziale Distanz – Ein Tagebuch (11)

Dies ist der elfte Teil unseres kollektiven Tagebuches, in dem wir mit zahlreichen Beiträger*innen fortlaufend sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert. (hier Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7, Teil 8, Teil 9, Teil 10)

Das mittlerweile über 132 Seiten umfassende kollektive Tagebuch “Soziale Distanz – Ein Tagebuch” gibt es auch als vollständige Leseversion in Google Docs.

Es schreiben mit:

Andrea Geier: @geierandrea2017, Anna Aridzanjan: @textautomat, Berit Glanz: @beritmiriam, Birte Förster: @birtefoerster, Charlotte Jahnz: @CJahnz, Elisa Aseva, Emily Grunert, Fabian Widerna, Jan: @derkutter, Janine, Johannes Franzen: @johannes42, Magda Birkmann: @Magdarine, Maike Ladage @mai17lad, Marie Isabel Matthews-Schlinzig: @whatisaletter, Matthias Warkus: @derwahremawa, Nabard Faiz: @nbardEff, Nefeli Kavouras, Philip: @FreihandDenker, Rike Hoppe: @HopRilke, Robert Heinze: @rob_heinze, Sandra Gugić: @SandraGugic, Sarah Raich: @geraeuschbar, Shida Bazyar, Simon Sahner: @samsonshirne, Slata Roschal, Sonja Lewandowski: @SonjaLewandows1, Svenja Reiner: @SvenjaReiner, Tilman Winterling: @fiftyfourbooks, Viktor Funk: @Viktor_Funk

 

20.04.2020

 

Tilman, Hamburg

In gebührendem Abstand sind wir gestern mit der Familie B/B spaziert. Dabei haben wir immer wieder durchgemischt, dass jeder mal mit jedem sprechen konnte. Ich werde sehr für mein Brot gelobt – das ich natürlich bereits in Vorkrisenzeiten buk! – und nach dem Rezept gefragt. Als wir uns verabschieden, treffen wir noch K. K sagt, “Alter, Tilman was war das für ein geiles Brot.” B/B sagt, “ja mega, wir haben eben auch schon gesagt, dass […]” Ich mache darauf aufmerksam, dass sie verschiedene Brote gegessen haben, also nicht nur verschiedene Werkstücke, sondern auch verschiedene Varianten. Jetzt denken bestimmt alle, dass ich ein verdammter Hexer bin. Ich gehe nach Hause und backe einen Hefezopf. (Der ist auch gelungen.)

Vorhin war ich dann bei A. Der soll jetzt mein neuer Hausundhofgitarrenbauer werden, nicht dass ein solcher Amateur wie ich das bräuchte, aber wer weiß, wozu das mal gut ist. Musikgeschäfte sind ähnlich der Trinität des Kompetenzgefälles – Weinläden, Skateshops, IT Fachleute – so eine Sache. Auf der einen Seite muss Dein Gegenüber mitbekommen, dass Du kein absoluter Neuling bist, auf der andern muss deutlich werden, dass Du seine Überlegenheit in fachlichen Dingen absolut anerkennst. Ich gebe also (1.) zu Protokoll, dass sich da amtliche Lollar Vintage Single Coils in der Tele befinden und (2.) dass ich gar nicht würdig bin, eine mit solchen Tonabnehmern bestückte Gitarre zu spielen. Vielleicht wäre das bei A. gar nicht nötig gewesen, der scheint ein aufrechter, vorurteilsfreier Mann zu sein. 

Fabian, München

Nur wenn man scheitert, wächst man auch – Headline, von heute oder aus dem Archiv, weiß ich nicht, habe keine Lust bloß, nachzusehen, und so außergewöhnlich ist das ja auch nicht, lebensbehilflich von Wachstum – seit wann wächst man eigentlich, bzw. mehr als bloß aus alten Kleidern hinaus, bloß, dass es sauer aufstößt, ein wenig, mich jetzt zu fragen, inwieweit das Selbstoptimierungsparadigma mit dem neoliberalen, zum Wachstum verdammten Kapitalismus globalisierter Märkte, bonmot, denn tatsächlich korrespondiert, blöde Frage, werfe ich ein, gegen mich selber, und stelle mit eine weitere, oder postuliere, ein Henne-Ei-Problem, und wie’s um den globalisierten, westlichen Menschen bestellt wäre, wenn sich an Stelle das Wachstumszwangs lebensratgebender psychologisierter, oder wahlweise Bullshitbingo-Ausrufer, und über und über und über sich selbst hinaus, und abwägend zwischen Zynismus und böserer Peolemik, für die aber hier die Ausdrucksmittel merkwürdigerweise fehlen, vielleicht doch noch ein Bier aufmachen, ein Phantasma von wegen keineswegs kostensparend bestmöglicher Ressourcennutzung gebildet hätte, wenn es schon sein muss, dass es mir nicht möglich zu sein scheint, usn abseits ökonomischer Zergliederungen zu denken, vielleicht doch lieber kein Bier mehr diese Woche, während gerade meine Position sich des Priviliegs erfreuen zu können scheint, sich vom, in gewissen Maßen, von Stillstand keine Rede, eingeschränkten Mobilitätsgraden und Körperkontaktdefiziten, mögen sie vorhanden sein, noch, gerade ökonomisch nicht bedroht fühlen zu müssen – quasi Tiefenentspannung als intersubjektives und -relationales Defizit.

Marie Isabel, Dunfermline

Ich frage mich, warum die Einträge spärlicher werden. Ist das Schweigen ein Zeichen der Gewöhnung? Oder der willkommenen Rückkehr teilweisen Alltags? Weil ja z.B. in Deutschland wieder bestimmte Geschäfte und Institutionen öffnen dürfen, während andere geschlossen bleiben. Ich lese nach, was wo wann wer und stoße auf das schöne Wort ‘Flickenteppich’. Fliegender Teppich wäre noch toller. Mit dem ließe sich unversehens und umweltfreundlich reisen, oder zumindest in sicherem Abstand über den Häusern schweben, in denen liebe Menschen wohnen, und winken, so von oben herab halt, aber doch ganz nah. Kultureinrichtungen, Schwimmbäder, Fitnesscenter – was ist mit Cafés? – etc. bleiben noch geschlossen. Darunter Orte, die mir im Moment fast am meisten fehlen. Außerdem: Abstandspflicht und Personenzählen überall; eventuell Sicherheitspersonal, das Eingänge kontrollieren soll. Buchhandlungen mit Türsteher klingen nur theoretisch cool. Maskenermutigung, weil sich zur Pflicht irgendwie niemand durchringt, angenehm zu tragen sind die übrigens nicht auf Dauer, das nur nebenbei. Werden sich die Menschen an diesen eigenwillig in eine scheinbar rückkehrende Normalität eingebauten Neuzustand gewöhnen oder ihn zumindest aushalten, und wie lange? Und was werden sie mitnehmen aus Lockdown-Zeiten? Eine differenziertere Wertschätzung für alltägliche Dinge? Für bis dahin selbstverständliche Freiheiten? Für andere Menschen und deren Bedürfnisse? Oder wird niemand etwas anders sehen, weil die existenzielle Bedrohung dann doch nicht so tief empfunden wurde, wie gedacht? (Die Angehörigen der Verstorbenen ausgenommen, denn ihr Leben ist zweifelsohne nicht mehr das gleiche.) Wird man den allgegenwärtigen Tod wieder vergessen, wenn nicht jeden Tag entsprechende (hoch selektive) Zahlen verkündet werden? Im Radio hier auf der Insel heute morgen Warnungen vor den psychologischen Folgeschäden der derzeitigen Beschränkungen. Vielleicht hat sich die Welt ja auch schon verändert, wir wissen es nur noch nicht.

21.04.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Irgendjemand mäht immer den Rasen. Das Gras in den umliegenden Gärten hat momentan einen noch schwereren Stand als sonst schon. Alternativ werden Autos gewaschen. Oder Wäsche. Oder beides. Die Sonne scheint jetzt schon seit Tagen so freundlich und ausdauernd, als fühle sie sich allein zuständig für die geistige Gesundheit der Inselbewohner. Nur der Löwenzahn strahlt noch gelber und ist zumindest um unser Haus sowie im Umland omnipräsent. Schmetterlinge und Co. freut’s. Laut BBC heute morgen hat die wöchentliche Todesrate in England und Wales den höchsten Stand seit zwanzig Jahren erreicht; die Zahlen für Schottland sind wohl ähnlich. Die Berichterstattung entwickelt sich und mit ihr ändern sich die Schlagzeilen. Es kann sein, dass auch GB über den Berg ist, zumindest für den Augenblick. Aber die Statistik zeigt auch: zwar geht eine Mehrheit der zusätzlichen Sterbefälle auf das Konto von Covid-19 aber eben nicht alle. Man wisse noch nichts Genaues, es werde Jahre dauern, die Situation zu analysieren. Instinkt und gesunder Menschenverstand zeigen sich wenig überrascht, aber ich weiß: Wissenschaft braucht Zeit, und für vorschnelle Schlüsse sollte frau sich nicht hergeben. 

Slata, München

Und wir beginnen, Leggins zu  tragen und Jogginghosen, lernen Geduld und Streit, der okay ist, der sich aushalten lässt, der sein darf. Die Wohnung wird zum sicheren Zufluchtsort, Nachbarn ab und zu, ja, im Treppenhaus, vor dem Müllcontainer, unter dem Balkon irgendwo, aber wir ignorieren einander und es ist schön so. Wir geben weniger Geld aus und schicken das Meiste, was wir an Paketen bestellen, wieder zurück, ein Anlass mehr, nach draußen zu gehen, wir brauchen mehr Essen, Schnittblumen, Putzlappen, Servietten, Toilettenpapier, tatsächlich, wobei dieses Thema, so typisch deutsch, finden wir. Emil zeigt sich einverstanden mit Spaziergängen, ohne großartige Versprechungen, einfach mal so, traut sich beim Fahrradfahren eine Hand zu heben, darf jeden Tag zwei große Kugeln Eis auf dem Marktplatz, weil er uns leid tut, weil er keinen außer uns hat gerade. Die Zeit lässt sich anhand des Wachstums einer Gurkenpflanze messen, jeden Tag zwei, drei neue Blätter, in Abhängigkeit von der Bewölkung, giftgrün, dünne Schlingen, Fangärmchen, wir wickeln sie vorsichtig um einen Holzstab.

22.04.2020

 

Nabard, Bonn

Ramadan steht vor der Tür und niemand in meiner Familie oder meinem Freundeskreis verspürt die Vorfreude die wir sonst die letzte Jahre immer hatten. Alles wird von dieser Pandemie bestimmt. Es wird keine Einladungen zum gemeinsamen Fastenbrechen geben. Keine gemeinsame Taraweh-Gebete (nächtliche Andacht) und von Eid-Fest ganz zu schweigen. Und wenn ich mir die letzten Tage die Menschenmengen, die steigenden Erkrankungszahlen und Toten sehe dann bin ich mir nicht sicher ob wir von einer “Normalisierung” bis zum Opfer-Fest sprechen können.

Überhaupt, von neuer “neuer Normalität” sprach J. Spahn. Was soll das heißen? Dieser Zustand darf nicht unsere Norm werden. Nur können wir gemeinsam dafür sorgen diese “Normalität” zu überwinden. Aber der Mensch ist anpassungsfähig. Ich bin gespannt was von all dem was wir jetzt erleben, sich dauerhaft etablieren kann. Vielleicht wenn jemand krank ist, nicht zur Arbeit zu gehen? Oder die allgemeinen Hygiene-Vorschriften? Lustig, wir im Westen sind so von uns überzeugt, sind so “zivilisiert”, viele haben sich vor der Pandemie nicht mal regelmäßig die Hände gewaschen. Naja. Habe heute frei, viel Sonne und Vitamin D warten auf mich. 

Janine, Flensburg

Wir haben selbstgenähte Gesichtsmasken geschenkt bekommen, von einer Freundin. Auf meiner sind Chihuahuas. Ich wollte unsere Freundin für die Masken bezahlen, doch sie will nichts. Sie sagt, sie habe es gern getan, sie habe schließlich die Zeit und sie fühle sich außerdem schäbig, an einer Krise etwas zu verdienen. Ich verstehe, was sie meint, aber gleichzeitig auch nicht. Überall nähen jetzt Frauen (von nähenden Männern habe ich bislang noch nichts gehört oder gesehen) daheim Gesichtsmasken für das soziale Umfeld. Wieder Stunde um Stunde unbezahlte Arbeit, die möglichst diskret und ohne Maulen erledigt werden soll. Eine muss es ja machen. Das Motto, auf das sich gerade das ganze Land stützt, wie mir scheint. Aber das stimmt nicht, es war natürlich auch davor schon so, dass Frauenzeit unentgeltlich für das Kollektiv zur Verfügung stehen sollte. Es ist Zeit, das Fürsorgegehalt endlich in der Politik, in den Medien, an den Abendbrottischen zu thematisieren.

Marie Isabel, Dunfermline

Ich versuche, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, aber die Gedanken gleiten immer wieder davon, wie auf einer Rutschbahn, in die Stadt, zum Flughafen, ins schottische Hochland, in Cafés, Parks, Bibliotheken, ins Museum, wo ich vor einem Gemälde stehen und mich hineinsaugen lassen kann in die Präsenz, die virtuelle Rundgänge und Reproduktionen (hallo, Walter Benjamin) eben doch nicht reproduzieren können, und dann wieder, Radio an, Internet, die unsäglichen Nachrichten, die tatsächliche Todeszahlen reproduzieren, vor ‘collateral damage’ (also noch mehr Toten durch verschleppte Krankheiten) warnen, und in denen von ‘social distancing’ bis mindestens Ende 2020 die Rede ist, und Tests (oder dem Fehlen dieser), und einem Militär, das sich ob seiner logistischen Leistung laut selbst auf die Schultern klopft und etwas vom Krieg gegen den unsichtbaren Feind schreit, es ist wie eine schlechte Farce, mit vielen Wiederholungen, mies geschrieben auch, klar, (eventuell spannend: eine teilweise virtuell abgehaltene Parlamentssitzung, geht das überhaupt?), und ich begreife, dass die Zeiten, in denen ich dachte, ich bräuchte den Umgang mit anderen Menschen nicht oder kaum, vorbei sind, und dass – worüber übrigens auch im Radio reflektiert wurde – mein Hirn den gewohnten Input vermisst, und dazu gehört nunmal das wunderbare Chaos der Begegnung mit Fremden und Freunden und und und und und und und, so sehr ich mich auch, mindful and all that, an der Natur und am Augenblick erfreue, genuin tief erfreue, so sehr fühlt sich das nicht selbst gewählte Alleinsein wie eine Schnur an um den Hals, die würgt, und das trotz aller Dankbarkeit dafür, dass ich ein Zuhause haben darf, in dem schmackhaft gekocht und gebacken wird, in dem geschrieben und übersetzt und Musik gehört (und manchmal in der Küche getanzt), Sport gemacht und von Bergen und Reisen geträumt wird, etc., ist alles sehr selbstbezogen, klar, an die Konsequenzen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, den frau momentan teils in Zeitlupe teils im Schnellfortlauf beobachten kann, für mich wie für alle anderen mag ich gar nicht – also betreibe ich eine Spendenaktion für eins der britischen Maggie’s Centres, die sich um Krebskranke kümmern, schreibe mal bessere mal schlechtere Gedichte und gehe mit einigen davon hausieren, denke darüber nach, wie und wo ich den nächsten Auftrag herbekommen könnte, laufe, was die Füße tragen, prokrastiniere, wechsele zwischen Terry Pratchett, Bernardine Evaristo und diversen anderen Autor:innen hin und her, plane Briefe und Postkarten, schreibe hier, obwohl ich eigentlich arbeiten müsste, etc. – was ich jetzt auch wieder, endlich, tun werde.

Nabard, Bonn

Der Abend vor dem Fastenmonat Ramadan und zum ersten Mal spüren wir in meiner Familie nach Wochen sowas wie “Normalität”, etwas bekanntes. Es herrscht eine ruhige, zufriedene Atmosphäre. Etwas was wir lange vermisst haben. Es geht vielen Freunden und ihren Familien ähnlich. Ich hoffe wir alle bleiben in dieser Zeit weiterhin gesund.

Parallel zu diesen Zeilen übt jemand in der Nähe Schlagzeug spielen! Ich seh mich schon in drei Wochen, jedes Mal kurz vor’m Iftar (Fastenbrechen) ihn erst leise und dann immer lauter zu verfluchen. Bitte entschuldige im voraus Unbekannter Nachbar. 

Fabian, München

Das wird nichts, nein, das, räuspert man sich innerlich, nur, wie um, Bedeutungsvöllerei könnte man es nennen, im Selbstgespräch, innerlich, bloß, das theatralische und existessentielle der gefühlsuntermauert betonten  Exzessmonotonien ex aequo Gedankenschleifen durch die Imitation eines diskursiven Reflexes zu plausibilisieren, vor sich selbst, immerhin, mehr, das, und, nichts zu erwarten, also Tiefe, wenn man so will, auch, Floskelhaftigkeiten, das hat seinen Reiz auch, mal sehen, und die Zeit vergeht oder verrinnt, wie Sand, schneller jetzt, in den Augen, krustig, in den Winkeln, Einwurf, Würze der Tage, und ein neues, erneutes, bedeutungsschwangeres, pseudo, Räuspern, aber jetzt mehr vor dem Hintergrund des Kristallisationspunkts, den abzuwarten tiefere Erkenntnis des Salzes kulminierter Zeit verspricht, während das Produkt der Kulmination, im Endeffekt doch nur eigener Körperfunktionen, nach den geringsten Berührungen schon zwischen den Fingern zerbröselt, ohne, das, merkliche Spuren zu hinterlassen, schwer, wird nichts, etwas Offensichtlicheres zu finden, als die Bedeutungslosigkeit emotionaler Zustände und Involviertheiten vor dem Hintergrund in Analogie zu stellen, ironisch natürlich, wenn der direkte, zum Glück, oder Körperkontakt fehlt, oder einen fatalistischen Beigeschmack zu bekommen, wenn die persönlichen, mehr als weniger kleinen Verzweiflungen und Empfindlichkeiten im Kontakt sich, gar nicht bereit, davor zu kapitulieren, sich vor die großen Zusammenhänge zu stellen, eine, man nimmt es natürlich nicht ernst, noch für existentiell, durch und durch egoistische, man möchte nicht sagen, Abkapselung, wo doch, im letzten Schritt und ultraironisch, es doch so nahe läge, das, unter Anführungszeichen, Verhalten national(istisch)er Strukturen in Analogie, direkt proportional, zu denken.

24.04.2020

 

 

Tilman, Hamburg

Im Herbst letzten Jahres habe ich eine Wohnungsräumung durch eine Gerichtsvollzieherin begleitet. Weil sich das alles lange zog, tauschten wir Nummern aus, damit sie mich auf dem Laufenden halten kann. Später schickte sie mir per Whatsapp noch Bilder von einzelnen Gegenständen “Gehört das der Schuldnerin?” oder “Soll das auch weg?”

Der Gerichtsvollzieherin geht es auch zu Coronazeiten gut. Sie macht Fahrradausflüge mit ihrem Sohn (außerdem ist sie großer New York Fan, war auch schon dort [eventuell sogar mehrmals?!]). Unser Kontakt ist abgebrochen, aber ihre Statusmitteilungen halten mich auf dem Laufenden.

Slata, München

Ab Montag werde ich nicht mehr in die Stadt fahren, da Maskenpflicht im Öffentlichen, deshalb fahre ich heute, das letzte Mal. Aufregung in der leeren S-Bahn, Bitte fahren Sie nur in dringenden Umständen, mein geliebtes München, Ab Montag den siebenundzwanzigsten April. Die Wahl der Schuhe früh morgens, keine Fahrradschuhe endlich, enge, lackierte, schöne Schuhe, der beste, am seltensten getragene Rock, eine Tasche anstelle des Rucksacks, ich bin bereit, ich komme. Dann aufgeregter Fahrscheinkauf, Einzelfahrkarten anstelle der Semestercard für halbes Jahr, fünf Euro pro Fahrt, ich bezahle, denn ich gönne es mir. Die S-Bahn leer und schweigsam, so, wie ich sie gern habe, angenehm kühl, geruchfrei, und ich sehe aus dem Fenster, dass München, ja natürlich, mehr ist als unser Dorf, in das wir zufällig, vor zwei Jahren, hineingeraten sind, ich stelle mir die Stadt als eine, ja eine Schönheit vor, die ich irgendwann schon kriegen, zu der ich irgendwann schon ziehen werde, warts nur ab, verlockend und unaushaltbar ist sie. Rapsfelder, Ansagen des Schaffners, blaukarierte weiche Sitze, ich betrachte jedes offene, nackte Gesicht, heute bin ich ein geladener Gast, nie war die Stadt reizender als heute, vielleicht, überhaupt, wäre die Welt besser, wenn sie weniger Menschen, und dann zurück und wieder Bad, Küche, Balkon, Rucksack und der kurze tägliche Mittagsschlaf nach dem vielen ermüdenden Lesen. 

Fabian, München

In den ersten Wochen hatte es einen gewissen Reiz, einander das Anonyme Tier zu identifizieren, das im Dokument den nicht vom Ersteller geladenen Autor*innen zugewiesen wird. Keiner hat sich die Mühe gemacht, statistisch zu erfassen, wie oft er oder sie als Anonymer Frosch auftauchte, als Einhorn, sogar Drache, Dinosaurier von Zeit zu Zeit, Axolotl oder, tatsächlich, das gab es, Quagga. Das hätte funktioniert, weil man sich selber nicht sieht, also welches Symbolbild einem zugewiesen wurde, und es ist ja kein Wunder, dass es eben den Reiz verliert, wenn man irgendwann alle Tier durchzuhaben meint oder darauf zu achten vergisst. Oder, Normalität hat schnell, um nicht den Euphemismus des Ausbleibens der Aufregung zu bemühen, etwas Abgehalftertes  an sich, das zeigt sich an den kleinen und pflanzt sich in den größeren Dingen fort.

 

25.04.2020

 

Marie Isabel, Dunfermline

Ich füttere mein privates Journal mit Seiten aus dem kollektiven Tagebuch. Es kommt zu leichten Verdauungsbeschwerden. Der tägliche Wetterbericht: betrübt aber freundlich. Immer noch kein Regen. Bald werden wir wieder zu einer Wanderung aufbrechen, halb Richtung Wald, halb Richtung Bauernhof mit frischem Brot und Eiern und Scones. Auf dem Rückweg noch im Supermarkt Milch besorgen und ein paar Früchte, vielleicht. Sonst keine Veränderung. Der Lockdown dauert an. Ich sehe auf Twitter ein Foto aus dem Weinbergspark in Berlin Mitte, zumindest verortet der lakonisch-entsetzte Tweet es dort:

Zu diesem Bild aus dem Weinbergspark in Berlin Mitte fällt mir leider nichts mehr ein. Ist von jetzt grade. pic.twitter.com/HmMNfBrgPq

— Christopher Lauer (@Schmidtlepp) April 24, 2020

So viele Menschen auf einmal, so dicht beieinander, das hat hier schon lange niemand mehr gesehen. Gleichzeitig lese ich in der sozialmedialen Gerüchteküche, dass es im Süden der Insel an manchen Orten auch relativ ‘normal’ zugehe. Was soll frau glauben?

Immer wieder frage ich mich, was dieses Zurückgeworfensein auf sich selbst eigentlich mit einem macht. Ich schaue mit Bewunderung virtuell den Eltern in meinem Freundes- und Familienkreis zu dabei, wie sie sich um ihre Kinder kümmern. Mit Bewunderung, aber auch mit Schmerz, erinnert doch die Allgegenwart von kleinen Menschen in anderen Haushalten an eine ungewollte Abwesenheit in unserem. In einer WhatsApp-Gruppe, durch die ich mit anderen Survivors in Kontakt stehe, fragen wir uns kollektiv, wie sehr die Ungewissheit der derzeitigen Situation an die Zeit nach der Diagnose und während der Behandlungen erinnert.

Alte Traumata kommen wieder hoch, und wie es manchmal so ist, merkt frau erst, wenn sie total erschöpft ist, was eigentlich vor sich geht. Da hilft nur das, was eigentlich immer hilft: lieb zu sich selbst zu sein, verständnisvoll, Ruhe zu geben, selbst wenn sich der Staub fingerdick im Sonnenschein häuft oder alte Kisten auszupacken wären, Löwenzähne den Garten übernommen haben, Arbeit sich auch am Wochenende weiterführen ließe, etc. Selbstschutz und Selbstfürsorge werden in Krisenzeiten überlebenswichtig, denn das hier ist ein Langstreckenlauf, dessen Parameter sich vielleicht ändern werden, der aber nicht so einfach enden wird. Es geht immer weiter.

Svenja, Köln

Am Montag hat das Semester in NRW angefangen und jetzt unterrichte ich fünf Seminare in drei Städten von zu Hause. Mittlerweile habe ich eine Routine in digitaler Lehre entwickelt. Ich schreibe den Studierenden vor der ersten Sitzung Emails über Technik und unsere Kommunikation, bitte sie, sich einen Wecker zu stellen, und verlinke ihnen Margarete Stokowskis Text über Homeoffice. Ich bilde mir ein, dass das Informationen sind, die meinem 20jährigen Ich geholfen hätten.
Für die Sitzungen bereite ich Skripts vor, am Anfang frage ich immer: Könnt ihr mich gut hören? – Das fragt meine Therapeutin bei jedem unserer Telefonate und es hatte mich sehr beeindruckt, als sie es das erste mal tat. Manchmal mache ich Witze, wenn ich vor lauter Zoom-Fenstern den Überblick verliere. Ich weiß jetzt, dass ich den Chat nach unten rechts ziehen muss, und einen Screenshot von den Teilnehmern machen, denn wenn man das Whiteboard benutzt, verschwinden ihre Namen und dann sagt man Dinge wie: Du da unten, rechts Mitte.

Im Fanseminar haben wir uns mit unseren Fangegenständen vorgestellt und ich habe erzählt, wie ich meine Lieblingsband im King Georg getroffen habe, dass sie aus Canada kamen und ich ihnen unbedingt mitteilen wollte, auf welchem obskuren Weg ich sie gefunden hatte. Dass ich mich dann nicht traute, sie anzusprechen, dass meine Freundin gehen wollte, dass ich schon geschlagen an der Garderobe meine Jacke holen wollte und dann ein Poster stahl um es dem Sänger als Eisbrecher unter die Nase zu halten. Wie er meinen Namen falsch schrieb, wie mir so schnell nicht einfiel, wie man J auf englisch sagt und wie er schrieb, dass ich sweet bleiben sollte. Ich erzählte nicht, dass er mich danach zu einem Osterfeuer einlud und ich nicht mitging, weil ich noch nicht in Köln wohnte und mich in einer fremdem Stadt verloren gehen sah.

Abends ging ich an den Rhein, es liegen noch zwei Geisterschiffe am Ufer. Ganz am Anfang der Krise hatte eins einen Eimer Rosen auf den Fußweg gestellt, damit die Spaziergänger sie mitnehmen können. Die Rosen sahen bereits sehr mitgenommen aus und ich ließ sie stehen, weil ich wusste, dass man solche Rosen in die Badewanne oder zumindest ins Spülbecken legen muss, aber ich wasche mich und mein Geschirr gerade sehr oft.

Auch dem Rückweg kam mir ein Mann in einer dunklen Straße entgegen. Er hielt sein Telefon vor dem Mund wie eine Zigarette und es erleuchtete sein Gesicht von unten als erzähle er eine Gruselgeschichte.

Slata, München

Ein Unvermögen, Zeit abzuschätzen, festzusetzen; eine schockierende Erfahrung, nicht Herr seiner Zeit zu sein. Anfangs, als alle dachten, es dauert einen Monat, schrieb man so drauf los, Beobachtungen, Bekenntnisse, eine Seltsamkeit nach der nächsten pointiert, und jetzt, wo es höchst vage Angaben über die Dauer und das Ende des Ausnahmezustands gibt, die keinen Hinweis geben auf die Aufnahme des Alltags ‒

Warum wünschen wir uns Normalität, weg von der Ausnahme, wollen eine Rückkehr zum Gewohnten, auf das sich nimmer etwas ändert. Das Normale, das ist so, hin und her, hin und her, irgendwann dann Hort am späten Nachmittag, Taschen auspacken, Ranzen, Hausaufgaben, Briefe, Unterschriften, Wäscheklammern, Pizza, Geschirr, schnellerschneller, am Wochenende dann Gartencenter, Plastikkübel, Geranien in vier verschiedenen Farben, von jeder Farbe einen Karton voll. Wie lebte es sich früher, davor denn, jeder ja auch mit dem Kind abwechselnd zuhause, gemeinsame Nächte mit Trinkflaschen, Ersatzschnullern, jeder trägt sich die Termine des anderen in den Kalender ein, plant Puffer ein für pünktliche Kindesübergabe, und jetzt, das Kind ist deutlich selbständiger, vernünftiger, kompromissbereiter, es lässt sich leben, ganz gut sogar, wir kaufen jeden Tag deutsche süße Erdbeeren, die ersten des Jahres, lassen uns Haare, Bärte wachsen, finden einander, ab und zu, wieder attraktiv, einmal, da lagen wir zusammen auf einer Decke draußen und sahen die Wolken an, ohne Handy, ohne gar nichts. Ich werde weise. Bald kann ich einen Berg erklimmen, davon gibt es genug hier in der Gegend, von dort aus Geduld, Achtsamkeit und einen Sinn der Dinge predigen.

 

Rike, Köln

Seit unbestimmten Tagen befinde ich mich in einem Livestream kann man nicht gestoppt werden. Die Phantasie, den Laptop mit doppelseitigem Klebeband an meinen Oberschenkeln festzugaffern, damit dieses Objekt während des Aufnehmens aller Mahlzeiten nicht runterstürzt, während ich damit durch die Wohnung laufe und dauernd irgendwer aus diesem Gerät heraus etwas sagt zu mir, meistens, ohne mich zu meinen. Wie ich mich jetzt an dem Objekt festkralle, als wäre es meine Familie, alle Menschen, die ich gerne hab und die Natur gleichzeitig. Die erste Online-Konferenz: BEYOND CRISIS. Ist die Coronakrise eine Chance oder ein Rückschlag für eine ökosoziale Transformation?“ „Can the real transformation designer stand up, please?“ Sich mit unbekannten Menschen austauschen ist wie in Butter baden. Der Konferenzleiter, ein Professor, isst Müsli in seiner Küche nach virtuellem Yoga. Abends tanzen die restlichen 90 Verbliebenen in ihren Zimmern zu Livestream, einer Frau geht dabei die Stehlampe kaputt, jemand hat sein Kind vor dem Laptop vergessen, durch die trashigen Homeoffice-Vernebelungsshintergründe von Zoom ist es 1-A-Videokunst aus den 2000ern. Es erinnert mich an den Moment in Magnolia, in dem es überall Frösche regnet und die verschiedenen Menschen, gefangen in ihren Situationen, alle alleine gemeinsam irgendwie sind.
Heute kommt ein Carepaket von der Mutter an. Seit gestern habe ich die Pflicht, im Nahverkehr kleine weiße Wölkchen über blauem Himmel zu tragen. In der Wohngemeinschaft ein verbindender Moment, als 4 junge Frauen die von anderen Frauen handgenähten Dinger über die Gesichter ziehen und ein Foto machen und sagen bitte lächeln, weil was sonst, Gesichtsmaskenwieschwanzvergleich. Ja, auch wir kennen keine Maskennähenden Männer scheinen damit beschäftigt, jetzt Experten zu sein. „Can the real transformation designer stand up, please?“ 

26.04.2020

 

Nabard, Bonn

Die ersten drei Tage im Corona-Ramadan. Keine Anrufe von Freunden und Bekannten mit Einladungen zum gemeinsamen Fastenbrechen. Kein nörgelnder Hinweis meiner Mutter ich möge doch zum nächtlichen Gebet in die Moschee gehen. Gleichzeitig sitzen wir nach dem essen im Wohnzimmer und blicken teils fassungslos teils traurig richtig TV wo die große Moschee in Mekka völlig menschenleer ist. Nur die Kameraleute die einzelne Aufnahmen von der Kaaba machen und ein Imam der die Suren im Koran rezitiert.

Als Familie sind wir schon immer ein eingeschworener Haufen gewesen, jetzt habe ich das Gefühl dass wir einander noch mehr halt geben. Die Stunden vor dem Fastenbrechen waren immer die schwierigsten in denen, meistens meine Mutter, gekocht hat und wir Kinder nichts in der Küche zu suchen hatten. Jetzt durften wir alle aushelfen. Schneiden und schnippeln, den Teig kneten, den Salat anrichten und hier und dort würzen. Und die Minuten zählen bis wir das Fasten mit drei Datteln und einem Schluck Milch brechen können. Und wie es sich für eine große Familie gehört lachen und diskutieren wir am Esstisch über alle Themen der Welt, nur nicht über die Pandemie noch über steigenden Toten in Afghanistan. “Wer vermisst und trauert um sie schon?”, sagte meine Mama gestern Mittag, “ob eine Bombe oder ein Virus, seien wir dankbar dass wir hier sein dürfen und ihr Kinder gesund seid.”

Solche Sätze kenne ich schon seit ich denken kann, dankbar sein, hier sein zu dürfen. In Zeiten dieser Pandemie bin ich’s zumindest mehr denn jeh. 

Fabian, München

Kleine Gedankenblasen stürzen nach außen, die zugehörigen Gravitationszentren stürzen nach innen und „in der Mitte treffen sie einander“, zwangsgestört, neurotisch, oder nur beinahe, jetzt hat die Bundesregierung sich auf eine App geeinigt, wie schön, jetzt hat die Bundesregierung auf einen zentralen Ansatz verzichtet, oder sich vom Gegenteil überzeugen lassen – wer würde zentral, und zumindest wahrscheinlich angreifbar gesicherte, umfassende Bewegungsdaten von Bürgern schon missbrauchen wollen, andererseits, wer will das verstehen, also, wer, na klar, da sind sicher genügend Leute im Umfeld der entscheidenden oder entschiedenen Instanzen, die die technischen Infrastrukturen und Anwendungen softwareseitig gut genug verstehen, um den kurzfristigen Reizen des reizenden Anscheins einer nachhaltig erhöhten Maßes an Kontrolle über die Risiken der Situation ein zumindest gehöriges Bewusstsein für die ab- und unabwägbaren Risiken deines scheinbaren Höchstmaßes an Kontrolle für die Bevölkerung, vielleicht, an sich, entgegenzuhalten, und wie’s scheint sogar wirksam, wirklich, man wird sehen – wobei persönlich ich mir ohnehin nicht vorstellen kann, mein Smartphone deswegen jetzt, oder von jetzt an, plötzlich, öfters spazieren zu führen, außer Haus, tatsächlich, als bisher.

Nord Verlag – Skandinavische Literatur abseits von Krimis

von Isabella Caldart

 

Und plötzlich war der kleine Verlag sehr präsent auf Instagram – spätestens mit dem Roman „Ich, Unica“ von Kirstine Reffstrup, der von zahlreichen Bookstagram-Accounts empfohlen wurde. Erschienen ist er im Nord Verlag, gegründet von der 29-jährigen Camilla Zuleger. Das Besondere am Nord Verlag: Er sitzt in Kopenhagen, blickt aber auf den deutschsprachigen Buchmarkt – Zuleger veröffentlicht skandinavische Literatur in deutscher Übersetzung. Wie und wieso sie das macht, erzählt sie im Interview mit 54books. Weiterlesen

Kulturkonsum 2/20

In der Rubrik “Kulturkonsum” stellen wir einmal im Monat gemeinsam mit ausgewählten Beiträger*innen in Kurzrezensionen vor, was wir in den letzten Wochen gelesen, gehört, gespielt oder geschaut haben. Ein Versuch in den dichten Wald aus Literatur, Musik, Filmen, Serien und Spielen eine kleine Schneise aus Empfehlungen und Warnungen zu schlagen. Weiterlesen

Soziale Distanz – Ein Tagebuch (7)

Dies ist der siebte Teil unseres kollektiven Tagebuches, in dem wir mit zahlreichen Beiträger*innen fortlaufend sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert. (hier Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6)

Das mittlerweile über 102 Seiten umfassende kollektive Tagebuch “Soziale Distanz – Ein Tagebuch” gibt es auch als vollständige Leseversion in Google Docs. Weiterlesen

Soziale Distanz – Ein Tagebuch (6)

Dies ist der sechste Teil unseres kollektiven Tagebuches, in dem wir mit zahlreichen Beiträger*innen fortlaufend sammeln, wie der grassierende Virus unser Leben, Vorstellungen von Gesellschaft, politische Debatten und die Sprache selbst verändert. (hier Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5)

Das mittlerweile über 85 Seiten umfassende kollektive Tagebuch “Soziale Distanz – Ein Tagebuch” gibt es auch als vollständige Leseversion in Google Docs. Weiterlesen