„O lala“, denkt der geneigte Leser, „diesen Roman muss ich also gelesen haben, um mitreden zu können. Ein Buch über das Schweigen, über das ich nicht schweigen wollen werde. Die Autorin von Vox, dem hochgejazzten und viel präsentierten Buch des Herbstes – eben sah ich die Werbung am Bahnhof, zum Verkaufsstart beklebte Münder auf Instagram, große Printkampagne selbstverständlich ebenfalls – ist immerhin in Georgetown promovierte Linguistin“, denkt sich weiter der geneigte Leser, „vielleicht weiß sie also worüber sie schreibt.“
Vox spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft in den USA. Der Führer einer politisch starken Religionsgemeinschaft spielt mit dem charakterlich schwachen POTUS Marionettentheater und den Frauen wurde die Anzahl der Wörter, die man am Tag so von sich geben darf, auf 100 gekürzt. Überwacht wird dies mit einem elektronischen Armband, das beim Überschreiten der Grenze Elektroschocks in das Handgelenk der Mitteilsamen entlädt. Dazu gibt es noch andere fiese Überwachungsmethoden, die – ganz klassisch – aus technischen Spielereien und dem Aufhetzen der Mitmenschen gegen den Einzelnen bestehen.
Die Protagonistin Jean findet diese Welt als – hoppla – Linguistin natürlich gar nicht cool. Frauen werden durch diese Form der Haltung in die passive Erwerbstätigkeit gedrängt, verlieren den gesellschaftlichen Anschluss und auch familiär führt das Konstrukt erwartungsgemäß zu Problemen. Jean blickt mit Besorgnis auf die Entwicklung ihrer kleinen Tochter, die keine andere Welt als die sprachlose kennt, als sich aufgrund eines Unfalls des Bruders des Präsidenten für sie die Möglichkeit ergibt, mit den Machthabern über ihre Lebensbedingungen zu verhandeln.
Machen wir es kurz. Vox ist kein gutes Buch. Es ist vorhersehbar: vom linientreuen, gehorsamen Sohn, der wie ein Spitzel lebt und später geläutert zum Rebell wird, über die Affäre mit dem schönen, italienischen Kollegen und dem Selbstmordversuch mittels Wortebegrenzungsarmband bis zur weggesperrten, feministischen Studienfreundin, keiner der Handlungsstränge kann überzeugen. Jeder ist so offensichtlich zusammengeplottet, dass am Ende das Bild zusammenpasst. In das Bild passt aber, was Dalcher in den Pressematerialien über Vox erzählt. Denn der Roman war ursprünglich nur eine Kürzestgeschichte mit nicht mehr als 700 Worten, vielleicht hätte man es dabei belassen sollen.