Schlagwort: Serien

Ein Davor, ein Danach – Die Pandemie in Fernsehserien

von Isabella Caldart

Für die Fiktion stellt die Pandemie eine klare Zäsur dar. Bisher war es möglich, das Jahr beziehungsweise die Epoche einer Serie, eines Films oder eines Romans eher vage zu halten und dadurch eine Form der Gegenwärtigkeit zu vermitteln. Fiktionale Werke, die größere gesellschaftliche Ereignisse oder Namen von etwa Politiker*innen nicht oder höchstens am Rande in ihre Handlung einbauten, hatten diese gewisse Zeitlosigkeit, bei der allein durch weniger relevante Faktoren wie Smartphone-Modelle oder Mode konkrete Jahre festzustellen waren. Ob (im US-Kontext) eine Serie nun 2010, 2015 oder 2019 spielte, machte keinen großen Unterschied. Es war immer ein diffuses „Jetzt“.

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Choreografierte Intimität – Interview mit Intimacy Coordinator Lizzy Talbot

von Isabella Caldart

 

Lizzy Talbot ist Intimacy Coordinator, also „Intimitätskoordinatorin”: Sie ist am Filmset und bei Theaterproben dafür verantwortlich, dass sich bei Intimszenen alle Beteiligten wohl und sicher fühlen. Das bedeutet, dass sämtliche Szenen, die eine Form von Intimität beinhalten, mit den Schauspieler*innen ganz genau durchgesprochen und choreografiert werden. Seit 2015 arbeitet Talbot in den USA und Großbritannien als Intimacy Coordinator, mit ihrer Arbeit am Set der Netflix-Serie Bridgerton wurde sie bekannt. Über Bridgerton selbst darf sie leider nicht mehr sprechen, weil die Promotion für die Serie seit Mitte März abgeschlossen ist. Im Zoom-Interview gibt sie aber einen allgemeinen Einblick in ihre Arbeit als Intimacy Coordinator. Weiterlesen

Was nicht tötet, härtet ab? Funktion von Vergewaltigung in aktuellen Serien

von Isabella Caldart

CN: Sexualisierte Gewalt

 

„Bist du deswegen so stark?“, fragt Ginny ihre Mutter Georgia in der Serie Ginny & Georgia, nachdem diese ihr gesagt hat, dass sie als Kind von ihrem Stiefvater vergewaltigt wurde. „Weil ich missbraucht wurde?“, fragt Georgia zurück. „Nein, ich bin keine Game of Thrones-Figur. Nein, ich wäre noch viel stärker gewesen, wenn mich der Mist nicht so viel Energie gekostet hätte.“

Vergewaltigung als Plot Device

In nahezu jedem Seriengenre gehört sexualisierte Gewalt zu den beliebtesten Hürden, die sich Drehbuchautor*innen für ihre Frauenfiguren ausdenken. Das ist von einem narrativen Standpunkt her nicht nur schade, machen es sich die Filme und Serien damit doch sehr leicht, es ist in zweierlei Hinsicht sogar höchst problematisch: Noch immer werden die Vergewaltigungen zumeist explizit gezeigt, obwohl es außer zu schockieren keinen Grund dafür gibt, schließlich könnten sie szenisch auch nur angedeutet werden. Und noch immer dient die Vergewaltigung einer Frau zumeist einem konkreten Ziel, das nichts mit der sexualisierten Gewalt selbst zu tun hat, sondern eine bestimmte Handlung ermöglichen soll, beispielsweise den Rachefeldzug der vergewaltigten Frau wie in den Kill Bill-Filmen. Manchmal geht es bei der Vergewaltigung nicht einmal um dem Plot der Frauenfigur, sondern um den männlichen Protagonisten, der seine Frau/Schwester/Tochter rächt. Nicht die Vergewaltigung an sich ist relevant, sie ist vielmehr ein Plot Device, das handlungsvorantreibende Mittel. Weiterlesen

Keine Schuldgefühle – Guilty Pleasures als notwendiger Eskapismus  

von Isabella Caldart

 

Unsere Guilty Pleasures haben eine wichtige Funktion – sie sind nicht nur spaßig, sondern helfen uns auch dabei, nicht an der Welt zu verzweifeln. Das Konzept des Guilty Pleasure ist etwas schwierig zu greifen, weniger der Definition wegen als der Terminologie: Viele Expert:innen wie Konsument:innen kritisieren den Begriff „Guilty“, weil er zum einen nah an der ermüdenden Debatte der Unterscheidung von sogenannter Hoch- und Unterhaltungskultur kratzt, was immer einen elitären Beigeschmack hat, und schlicht und ergreifend weil man sich für etwas, das Freude bereitet, nicht schuldig fühlen sollte. Weiterlesen

‚Lolita‘ wiedergelesen – Das Empathie-Bootcamp

von Susanne Romanowski

 

[Content Note: Kindesmissbrauch]

Wer über Vladimir Nabokovs Roman Lolita (1955) schreibt, kann sich eine Diskussion über den ethischen Status des Dargestellten sparen. Bei kaum einem anderen Werk ist das Thema so unumstritten abscheulich. In dieser Einschätzung wird man etwa auch von Google bestätigt: Wenn ich „nabokov lolita“ in die Suchzeile eintippe, erscheint als erstes die Anzeige: „WARNUNG! Kindesmissbrauch ist illegal.“ Weiterlesen