Pixel machen Leute? Überlegungen zu den Potenzialen und Grenzen digitaler Mode

von Katharina Walser

Im Sinne seiner sprachlichen Wurzeln im lateinischen Wort modus, bezeichnet auch der heutige Modebegriff die “Art und Weise”, in der ein Zeitgeist oder eine Lebensweise in der Kultur zum Ausdruck kommt. Er bezieht sich auch auf die Bereiche der Kunst, der Literatur und der Sprache. Häufiger wird er im Alltag jedoch mit dem Auftreten im gesellschaftlichen Raum gleichgesetzt – er meint also zumeist die Formen unserer Garderobe, unserer Kleidung. Die Art und Weise wie diese Garderobe in Erscheinung tritt, drückt inzwischen einen fundamentalen Wandel aus. Ein Wandel, den unsere Lebenswirklichkeit und ihre Ausdrucksformen bereits seit geraumer Zeit aufgrund ihrer zunehmenden Digitalisierung durchlaufen und der in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kunst und Literatur in Erscheinung getreten ist. Im Falle unserer Kleidung offenbart er sich nun im Phänomen der “digital Fashion”. 

Versucht man sich in dieses Thema einzulesen kann einem schnell schwindlig werden, angesichts der verschiedenen virtuellen Erscheinungsformen, die als digitale Mode in einen Topf geworfen: von „Skins“ über „NFTs“ zu „virtual Couture“, das alles sollen gleiche Teile dieser großen Moderevolution sein, die das digitale Zeitalter mit sich bringe. 

Habe ich Sie schon beim Begriff „Skin“ verloren? So geht es wohl den meisten, die nicht berufsbedingt in einer IT oder Mode Blase stecken. Also noch einmal von vorne: Skins, das sind Gegenstände oder Anzüge, die man innerhalb von Computerspielwelten erspielen oder erwerben und anschließend, zum Beispiel als Kleidungsstück eines Avatars, durch die virtuelle Welt des Spiels tragen kann. Seitdem Online-Spiele wie zum Beispiel Fortnite sich besonders bei jungem Publikum zunehmender Beliebtheit erfreuen, erstarkt auch die Nachfrage nach solchen In-Spiel Outfits, schließlich trifft man im digitalen Raum auf Freunde und Bekannte, für die man sich auch im realen Leben zurecht machen würde.

Bei einem NFT (Non fungible token) wird es schon etwas komplizierter. Dabei handelt es sich gewissermaßen um digitale Besitzurkunden für virtuelle Güter, die mithilfe von Blockchain Technologie täuschungssicher und damit rückverfolgbar und einzigartig gemacht werden können. Diese spielen längst nicht nur eine Rolle für digitale Währungen, wie Bitcoins, sondern werden verwendet, um einen virtuellen Warenverkehr zu ermöglichen, zuletzt insbesondere im Bereich des Kunstmarkts. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis diese Art des virtuellen Warenverkehrs auch den Markt der Modewelt erreicht. Dabei handelt es sich dann um digitale Designs von verschiedenen Anbietern, die man in Fotodateien portieren kann und so gewissermaßen virtuell „anzieht“. Das mittlerweile bekannteste Beispiel für so ein Mode-NFT sind wohl die Sneaker der RTFKT studios

Teures Geld für Pixelmode?

Diese virtuellen Schuhe werden, teils frei, teils in Kollaboration mit bekannten Modehäusern, programmiert und anschließend, dank besagter Blockchain Technologie, als Unikate online verkauft. Und auch wenn diese digitalen Bilder erworben werden können, um sie anschließend auf einem Foto zu „tragen“, so handelt es sich doch primär um begehrte Sammlerstücke, in die nicht zuletzt investiert wird, um sie weiterzuverkaufen – denn eines hat die im Vergleich junge virtuelle Mode von ihrer analogen Schwester bereits verstanden: künstliche Verknappung. Denn für so ein Pixel Unikat von Schuhen legen Sammler:innen gut und gerne bis zu 3000 Dollar auf den virtuellen Ladentisch.

Ein Umstand, der nicht zuletzt deshalb verblüfft, da diese Filtertechnik noch nicht besonders ausgereift ist. Die Illusion dieser Sneaker beispielsweise bricht sich noch an den „echten“ Knöcheln, auf die sie appliziert werden sollen. Das sieht dann etwa so schief aus, wie in einem 2000er Computerspiel, wenn der Avatar gegen einen Baum läuft und die programmierte 3-D Welt als zweidimensionale Fassade sichtbar wird. Doch halten diese kleinen Makel die Fans der digitalen Schuhbekleidung nicht davon ab, sie für viel Geld zu erwerben – was bereits ein erstes Anzeichen dafür ist, wo der Markt der virtuellen Mode hinwachsen kann, wenn die Technologie mit den kommenden Jahren ausgereifter wird.

Einige Unternehmen erkennen diesen Trend und widmen sich der Perfektionierung der digitalen Kleidung, allen voran das Label The Fabricant. Neben digitalen Modeschauen, die sie für große Marktführer physischer Mode entwerfen, gibt es bei dieser virtuellen Fashion Brand maßgeschneiderte Pixel Mode zu kaufen. Gewissermaßen will man also bei The Fabricant die Prinzipien der Computerspiel Skins mit denen der NFTs verbinden, um visuell überzeugende, digitale Ganzkörper Outfits für das virtuelle Ich zu erschaffen, das sich bei Social Media und durch digitale Kommunikationsmittel immer stärker bildet. Schon im Jahr 2019 verkauften The Fabricant für 9500 Dollar einen digitalen Kleidentwurf und lösten so ein gewaltiges mediales Interesse aus – seither findet sich das Thema digitale Mode nun immer wieder in Texten der Mode Ressorts und Feuilletons, die The Fabricant gewissermaßen zu den Schirmherren derselben erklären.

Das Prinzip ihrer Technologie ist dem eines Social Media Filters sehr ähnlich – wenn auch sehr viel ausgeklügelter was die Illusionseffekte angeht. Wer ein Stück der digitalen Schneiderei erwerben möchte, sendet ein Bild von sich, mit möglichst enganliegender Kleidung in gedeckten Farben, auf welches dieses Kleid dann angepasst wird. Auch hier ist digitale Mode also ein im engsten Sinne des Wortes -einmaliges- Erlebnis.

Digitale Moderevolution

Dass diese digitale Mode ein Phänomen ist, das auch einige Akteure außerhalb der Modewelt sehr ernst nehmen, zeigt nicht zuletzt die hiesige Forschungsförderung. An der Universität Hamburg erforschen beispielsweise zwei Studierende des Kunstgeschichtlichen Seminars im Rahmen der Exzellenz Strategie des Bundes und der Länder digitale Mode und ihre marktwirtschaftliche wie ästhetische Einflussnahme unter dem Titel „virtuelles Beiwerk“. Am deutschen Institut für Textil- und Faserforschung in Denkendorf wird unterdessen untersucht welches Digitalisierungspotenzial schon bestehende Bekleidungsunternehmen haben und betreiben aufwändige Materialfluss- und Kostenanalysen, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Ob Unternehmer:innen oder Forschende der digitalen Mode, sie alle haben eines gemeinsam: die Überzeugung, dass wir uns an einem revolutionären Scheidepunkt dessen befinden, wie wir über Mode denken. Die Argumentation dieser These ist im Kern sehr simpel: Unsere alltägliche Lebenswirklichkeit digitalisiert sich zunehmend, dann werden wir uns auch nach neuen Ausdrucksformen im Virtuellen sehnen. Als sicher gilt dabei auch, dass die Pandemie für die wegbereitenden Entwicklungen (einmal mehr) als Brandbeschleuniger funktioniert hat. So spricht auch Lukas Stübbe (Universität Hamburg) von der digitalen Mode als einem ganz und gar „folgerichtigen“ Schluss, wenn sich das alltägliche Leben immer weiter in den privaten und schlussendlich so auch weiter in den digitalen Raum verlagere.

Gerade jedoch weil Unternehmer:innen und Forscher:innen die Unabwendbarkeit und Unbedingtheit dieses Phänomens betonen, lohnt es sich noch ein wenig genauer auf die rhetorischen Mechanismen um die angebliche Mode der Zukunft zu blicken und zu überlegen wo die Grenzen einer solchen Modeentwicklung liegen.

Der logische Schluss unserer vermehrten Präsenz im Digitalen sei also die Digitalisierung der wenigen physisch verbleibenden Aspekte des Alltags. Eine solche Argumentation geht zunächst einmal wie selbstverständlich von zwei Dingen aus. Erstens, dass die Mode, also der Teil unserer Kleidung, der dem semantischen Wandel unterworfen ist, der Teil, der sich jede Saison neu erfindet, die kunstfertige Maschinerie hinter dem haptischen Moment des Anziehens, grundsätzlich vom Textil zu trennen ist, das im Gegenzug seinen Zweck lediglich darin erfülle warm zu halten oder eben nicht nackt zu sein, so Judith Bachem (ebenfalls Universität Hamburg). Zweitens liegt einer solchen Vorstellung von Mode, in der die haptische Ebene klar von der Ebene der Inszenierung zu trennen ist, die Ansicht zugrunde, dass das Erleben der Mode ein rein geistiges Erleben ist. Es ist genau diese Logik, in der Hersteller:innen und Verfechter:innen digitaler Mode postulieren, es sei eine enorme Befreiung im Home-Office nicht mehr über sein Outfit nachdenken zu müssen, da die Inszenierung des Selbst ja nicht mehr physisch stattfinden müsste. Man könne so mit dem Ballast des Textils auch die Sorge um das eigene Auftreten verlieren, da der Zugang zu verschiedenen Outfits einfacher und die Möglichkeiten vielfältiger wären, als ein Kleiderschrank in der Regel hergibt.

Alles digital, alles besser?

Das Argument “Pandemie” ist nicht nur inzwischen stark belastet worden, es funktioniert in diesem Fall schon deshalb nicht, da uns die Zurückgeworfenheit in das Private und Digitale eben genau vor Augen geführt hat, was sich virtuell nicht so leicht nachstellen lässt: All das sphärische und sinnliche Erleben unserer Umwelt. Gleiches gilt wohl auch für die Mode. Schließlich hängt die gelungene (Selbst-) Inszenierung auch immer am Gefühl der Darstellenden und das modische Spiel mit der Identität ist so immer auch schon ein Spiel zwischen dem Selbst und dem Stoff. 

Gehen wir nicht in einem gut sitzenden Paar Hosen selbstbewusster, empfinden wir uns nicht aufgehobener in einem weichen Pullover? Der Eindruck wird verstärkt, wirft man einen Blick auf einen der umsatzstärksten Zweige der Bekleidungsindustrie während der Pandemie, die Lounge Wear – zusammenpassende Cashmere Sets in gedeckten Beigetönen, feine Pantoffeln, Woll-Kleidchen, kurz: kein Schlabberlook, sondern edle und vor allem hochwertig, angenehm weiche Kleidung war für das Home-Office gefragt. 

Wenn also, wie in einem Social Media Post des Labels The Fabricant, angesichts der Verfügbarkeit von digitaler Kleidung von einer „veralteten Idee der Körperlichkeit“ die Rede ist, dann klingt das ein wenig so, wie das Upgrade der Diskussion um die ersten E-Reader, die eine Vielzahl von Journalist:innen und Verleger:innen dazu veranlasst haben den Tod des Buchs vorauszusagen. Nun, mittlerweile wissen wir, das Buch lebt – denn es lebt für viele seiner Liebhaber:innen eben nicht nur durch die Erfüllung seines „Zwecks“, also das Lesen zu ermöglichen, sondern ebenso von der physischen Erfahrung, vom Umblättern, vom Geruch der Seiten, vom Entdecken im Buchladen, von der Haptik des Umschlagmaterials.

Und doch ist es gerade diese Textillosigkeit, die Ausblick geben soll auf die Vorteile, die eine solche digitale Mode bringen kann. So wird der Gründer und CEO von The Fabricant Kerry Murphy nicht müde zu betonen, dass die Virtualisierung unserer Kleider die Lösung für eine immer noch unnachhaltige Fashion Branche ist. Sie produziere kein CO2, keinen Müll, sie benötige keine großen Fabriken mit Arbeiter:innen, die unter prekären und inhumanen Bedingungen arbeiten müssen und ihr Transportweg ist mit etwa so viel Mühe verbunden wie das Versenden einer E-Mail. Das klingt verlockend, doch ist es so, dass The Fabricant bisher lediglich Haute Couture, also nicht in Masse produziert – und dieses Versprechen einer nachhaltigen Fashion-Zukunft somit bisher ziemlich leer ist. Schließlich ist es auch bei der physischen Mode erst die Quantitäts- und Zugriffmaximierung gewesen, die sie zu der Umweltsünde hat werden lassen, die wir heute als Fast Fashion bezeichnen. 

Ideologie-Marketing für den „Digi-Sapiens“

Wie nachhaltig sich eine digitale Massenproduktion letztlich gestalten würde, müsste also grundsätzlich noch in Frage gestellt werden – schließlich stecken auch hinter programmierten Kleidern, Menschen, die ausgebeutet werden können, Datenströme und Server, die schmutzige Energie verwenden können, und so weiter.

Murphys Vermarktung von The Fabricant kommt ohne solche Bedenken aus. Nicht nur die Lösung für emissionsfreie Kleidung will er mit seinen Mit-Unternehmer:innen gefunden haben. Blickt man auf den Instagram-Account des Labels, zeigt ihre Marketing-Rhetorik, wie innovationsberauscht The Fabricant daherkommt. Was da entstehen soll, ist nicht weniger als eine „neue Ära der technologischen Transformation“, in der durch cleveres Design vermeintlich alle weltlichen Grenzen, inklusive der Schwerkraft, verabschiedet werden. Mode, die keinen stofflichen Regeln folgen muss, und Kleider, die Farben annehmen können, die im realen Raum nicht möglich wären, veranlassen The Fabricant in Bezos-artiger Manier dazu, eine heilbringende Parallelwelt zu entwerfen. So speziell und revolutionär sei die Zukunft, die diese Mode auf den Weg bringe, dass man ein eigenes Wörterbuch braucht für diese digitale Welt im Kommen. 

Diesen liefern sie in Form eines Story Highlights. „Do you speak the Fabricant?“ heißt es hier, woraufhin einige Slides erklären, welche Begriffe man kennen sollte, um im Club der Pixel-Denker mitzuspielen. Der „Digi-Sapiens“ sei ein mutiges, kollaboratives Wesen, dass die Technologie feiert und nutzt, um „die eigene Existenz zu befreien“. Man hört Aldous Huxley bereits im Grab rotieren, angesichts dieses Ideologie-Marketings. Doch es wird noch ambitionierter, denn nicht nur Formgrenzen und CO2-Emissionen will The Fabricant hinter sich lassen, auch die Rettung der Demokratie packen sie sich wie beiläufig mit auf den Teller. „Pluriform“, das sei ein digitaler Entwurf, der in der Lage ist, Dualitäten zum Ausdruck zu bringen, Gendernormen und andere veraltete gesellschaftliche Klassifikationsmuster zu durchbrechen und somit die (virtuelle) Welt diverser zu gestalten. Ihre schöne neue Welt, soll eigenes „Metaverse“ der Zukunft sein. Was klingt, wie eine neu aufgesetzte Doctor Strange Serie aus Disneys Traumfabrik, beschreibt im wahrsten Sinne, wie dieser gesamte Auftritt des Labels wirkt: abgehoben und weltfremd. Denn wer den Anspruch hat die Welt der Mode von Arbeitszwängen, toxischen Überresten und CO2-Emissionen zu befreien, gleichzeitig ein ästhetisches Neudenken der Selbstinszenierung initiieren möchte und damit auch noch zur Demokratisierung des digitalen Raums beitragen will, hat schwindelerregend hohe und, so viel kann man wohl jetzt schon sagen, unerfüllbare Ziele.

The Fabricant stellt wichtige Fragen an unsere (Mode-)Welt, die sich vor den Herausforderungen des Klimawandels und der zunehmenden Digitalisierung unseres Alltags neu erfinden muss. Fraglich bleibt zum jetzigen Zeitpunkt noch, ob sie dafür in Zukunft passende Antworten finden können. Aber klar ist, dass keine dieser passenden Antworten ein virtueller Gehrock im Wert eines Kleinwagens ist. 

Massentauglich ist so ein Kleidungsstück nämlich nicht und inklusiv schon gar nicht. Bei aller Kritik an diesem unzugänglichen Produkt und überhöhtem Weltretter-Marketing, besteht jedoch wenig Zweifel, dass die Technologie, die Murphy und seine Kolleg:innen voranbringen, Potenziale bietet. Nachhaltigkeit und Demokratisierung, damit werben Sie jetzt für ein Produkt, das noch eine Spielerei für Superreiche und professionelle Blogger ist. Doch wie ließe sich beides in realistischen Maßstäben umsetzen, sofern es einem wirklich ernst damit ist, Teilhabechancen und Kreative Freiräume durch digitale Technologie voranzubringen?

Potenziale digitaler Mode

Letztlich müssen die Hersteller:innen einen Weg finden, ein Produkt zu kreieren, das nicht nur die haptische Mode imitiert und nachbildet, sondern das sozialen und ökologischen Bedürfnissen adäquat begegnen kann. Utopischerweise soll der digitale Raum schließlich Möglichkeiten bieten, die wir im Haptischen nicht haben, statt diesen schlicht im Digitalen zu reproduzieren – und idealerweise sogar neue Möglichkeiten für den physischen Raum aufzeigen.

Wäre es nicht wünschenswert, wenn zumindest Personen, die aus beruflichen Gründen ein Outfit nur einmal tragen, Influencer:innen beispielsweise, die Möglichkeiten hätten, dafür nicht extra eine umweltschädliche Retoure aufzugeben? Und daran anschließend: Wie sähe eine Modewelt aus, in der Konsument:innen sich sicher sein können, dass ihnen ein online erworbenes Kleidungsstück passen wird, da sie es zuvor an ihrem virtuellen Avatar testen konnten? Wäre es sogar denkbar, dass Maßschneidern durch solche Prozesse auch im physischen Kleidermarkt wieder beliebter und damit erschwinglicher wird? Ganz zu schweigen davon, dass oftmals problematische Normgrößen und für viele unerreichbare Schönheitsideale damit abgewertet werden könnten, wenn der Prozess der Kleiderherstellung wieder stärker an das Individuum angepasst wird und nicht umgekehrt. Auch die digitale Arbeitswelt könnte sicherlich von einer ausgereifteren virtuellen Mode profitieren: Dann würde nicht nur das Büro digital, sondern vielleicht auch das Auftreten im Arbeitskontext chancengleicher. Hintergrundfilter für Zoom-Meetings haben wir bereits, um unsere Privatheit auch im Home-Office ein wenig zu schützen – wie wäre es da, wenn auch unsere Kleidung einen solchen Schutzraum böte, zum Beispiel dank erschwinglicher Blusen Filter für ein Vorstellungsgespräch.

Unabhängig von der Zukunft all dieser antizipierten Möglichkeiten, erreicht digitale Mode zumindest jetzt schon eines: eine Diskussion darüber was Mode eigentlich ist – ein Gespräch, das die deutsche Kulturszene gut gebrauchen kann. Nicht zuletzt, um einem Authentizitätsfetischismus entgegenzuwirken, der seit geraumer Zeit, die hiesige Mode-Szene und Selbstrepräsentations-Bubble auf Instagram zu dominieren scheint. Auch jetzt fürchten manche bereits einen zunehmenden Realitätsverlust bei der Jugend, den digitale Mode auslösen könnte. Dabei tut sie lediglich, was auch der Sinn von physischer Mode ist: Sie bietet Möglichkeiten für facettenreiche Selbstinszenierungen. Authentisches Selbst, das ist schließlich nicht nur ein Make-up in gedeckten Farben oder ein möglichst wiedererkennbarer, dauerhaft persönlicher Kleidungsstil. Es ist ein Kostümieren, ein Ausprobieren, ein Spiel und Bruch mit gesellschaftlichen Zeichencodierungen, das durch virtuelle Mode sicherlich nicht erst entsteht, aber wohl doch neu in Erinnerung gerufen werden kann. In diesem Sinne wäre The Fabricants Pixel Mode, doch eine “Thought Couture”, wie sie sie selbst nennen – nicht als hochgehypete Programmierung zur Befreiung des Selbsts – sondern als Entwürfe, die zum nachdenken anregen, wie Mode, Nachhaltigkeit und inklusive Identitäts Verwirklichung im Digitalen zusammenfinden könnten.

Photo by Vinicius „amnx“ Amano on Unsplash

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