Paris als eine der Überstätten der Kultur und europäischen Geistesgeschichte, ist vielen seiner Bewohner über deren Tod hinaus auch letzte Ruhestätte geworden. Bei meinen Besuch im Mai und erst kürzlich im November 2013 war es für mich Pflichtprogramm, die Gräber der von mir verehrten zu besuchen. Der Vorteil an dieser morbid-bedrückenden Freizeitbeschäftigung liegt in der besonderen Schönheit jedes der Friedhöfe, die meist, von teilweise auftretenden Touristengruppen abgesehen, einen starken Kontrast zum hektischen Paris außerhalb der Mauern darstellen. Zudem liegen sie nicht am Stadtrand, sondern finden sich inmitten der belebten Viertel Montmartre, Montparnasse, Pére Lachaise mitten in Belleville im Osten und das Panthéon fußläufig von der Sorbonne im 5. Arrondissement.
Bereits im Mai habe ich den Cimetière de Montmartre besucht. Direkt innerhalb des malerischen Künstlerviertels, in dem z.B. auch Die fabelhafte Welt der Amélie gedreht wurde, zu Füßen der Sacré-Cœur Basilika liegt dieser kleine Friedhof, auf dem, neben den untenstehenden, außerdem noch der Maler Edgar Degas, der Schriftsteller Alexandre Dumas der Jüngere (Die Kameliendame; der Ältere liegt im Pantéon, s.u.) die Brüder Goncourt, Stifter des gleichnamigen, wichtigsten Literaturpreis Frankreichs, der Komponist Jacques Offenbach, aber auch die Physiker Jean Bernard Léon Foucault und André-Marie Ampère liegen.
Zu meinem Beitrag zum Grab Heinrich Heines.
In unmittelbarer Nähe zu meiner Bleibe bei meinem Freund Max lag der Cimetière du Père Lachaise, der größte Friedhof Paris‘. Dieser riesige Park ist wahrscheinlich einer der berühmtesten Friedhöfe der Welt. Hier brach der Kommune-Aufstand 1871 zwischen den Gräbern zusammen, die letzten 147 überlebenden Auständischen wurden am Rande des Gräberfeldes an der Mur des Fédérés erschossen und gemeinsam bestattet. Heute noch ein Wallfahrtsort für Linke aller Welt.
Ebenso Wallfahrtsort die Gräber von Oscar Wilde und Jim Morrison, inzwischen aufgrund des starken Publikumsandrangs aber mit einer Plexiglasscheibe geschützt bzw. abgesperrt. Hier ruht auch in einem kleinen neugotischen Tabernakel das berühmte Liebespaar Abaelard und Héloise. Wäre dies nicht alles schon genug liegen hier neben den unten abgebildeten u.a. noch Moliére, La Fontaine, Barbusse, Gertrude Stein, Edith Piaf, die Komponisten Bizet und Rossini sowie die Maler Delacroix und Max Ernst.
Als letzter der drei besuchten Friedhöfe, es gibt außerdem noch den Cimetière de Passy, auf diesem liegt aber „nur“ Claude Debussy, der mich interessiert hätte, abschließend der Cimetière Montparnasse. Dieser Friedhof wurde 1824 nur für die Bewohner des linken Seineufers eröffnet. Auch hier liegen berühmte Franzosen und Weltbürger, vor allem des 20. Jahrhunderts. Nicht abgebildet weil nicht besucht oder nicht gefunden sind hier Guy de Maupassant, Camille Saint-Saëns, Charles Augustin Sainte-Beuve, Alfred Dreyfus, Joris-Karl Huysmans, Henri Poincaré und Susan Sontag. Seit dem Frühjahr diesen Jahres liegt hier auch Stéphane Hessel begraben.
Das Wort gibt es, zumindest bei den Franzosen, tatsächlich: Panthéonisierung. Es bedeutet, dass einem Verstorbenen die Ehre zuteil wird im Panthéon beigesetzt zu werden. Im Kreis der großen Männer Frankreichs liegt dabei nur eine Frau, obwohl Marie Curie streng gesehen ja eigentlich Polin ist. Erst kürzlich wurde diskutiert, ob Albert Camus panthéonisiert werden solle, was aber weder vor seinem 50. Todes- noch zu seinem 100. Geburtstag gelang und wohl auch nicht seinem Willen entsprechen würde, sprach er doch sogar davon, dass er seine stumpfsinnigen Jahre in Paris bereue, er der Dichter des Südens. So muss das Panthéon also weiterhin ohne Camus auskommen, hat doch aber trotzdem die Gräber großer Franzosen zu bieten, anders als auf den Friedhöfen ist man (als Franzose) hier wirklich unter sich, also die Toten, nicht die Touristen. Eine Gruft teilen sich Victor Hugo, Émile Zola und Alexandre Dumas (diesmal der Ältere), die großen Philosophen Voltaire und Jean-Jacques Rousseau liegen bereits am Eingang der Krypta. Im illustren Kreis ebenso Louis Braille, der Erfinder der Blindenschrift, nicht nur Marie, sondern auch Pierre Curie, der Widerstandskämpfer Jean Moulin und René Cassin, der für das Verfassen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen 1968 den Friedensnobelpreis erhielt. Ähnlich wie Camus wird wohl auch Charles de Gaulle nie in das Panthéon einziehen, verbat sich dieser sogar im Testament den Pomp eines großen Grabes und gar einer großen Beerdigung, auf seinen Wunsch wurde er in Colombey, einem winzigen Ort in der Champagne, beerdigt.
[Nachtrag] Durch den Beitrag von Birgit bin ich auf den virtuellen Rundgang über den Pére Lachaise aufmerksam geworden, hier kann man alle besuchen, die ich vergessen oder nicht gefunden habe.
Ein wunderschöner Artikel!
Colombey-les-Deux-Églises, das dem ungeschriebenen Gesetz, dass sich die Länge des Namens eines Städtchens antiproportional zu seiner Größe verhält, alle Ehre macht, ist übrigens auch das Heimatdorf De Gaulles, aus dem er 58 zurückkehrt um die Verfassung der fünften Republik zu erarbeiten.
Interessante Information mein Freund!
hallo und herzlichen dank für diesen sehr schönen beitrag. ich habe mir die freiheit genommen, ihn auf meinem themenblog zu verlinken, ich hoffe, du hast nichts dagegen….
http://mynfs.wordpress.com
herzliche grüße
fs
Klar, sehr gerne!
Starker Text, klasse Bilder. Glückwunsch und weiter so!
Bei meinem ersten Parisbesuch führte mich auch der allererste Ausflug zum Père Lachaise. Es war schon spät am Nachmittag und wir eilten damals zum Grab von Jim, das damals, vor über 20 Jahren, noch nicht irgenwie „geschützt“ war. Dort lagerte bereits eine internationale Gruppe, man trank Bier, jemand spielte Gitarre, einer versuchte eine Art Séance – es war toll! Leider hatten wir an jenem Nachmittag keine Zeit, weitere Gräber zu besuchen, weil der Friedhof bald geschlossen wurde. Aber eines Tages werde ich mir mehr Zeit nehmen und ausführlich über den Friedhof spazieren. Danke für deinen schönen Bericht! Liebe Grüße
Petra
Diese Zeiten sind wohl, nicht nur aufgrund der Absperrung, vorbei. Tatsächlich kommen/kamen inzwischen die meisten zu Jims Grab, um vielmehr dieses Happenings zu sehen als das Grab selbst. Die Pilger sind weniger geworden, die Touristen mehr.
Ach, schade. Aber schön, dass ich es noch erleben durfte : )