Kategorie: Gespräche

Türen öffnen – Interview mit Sharon Dodua Otoo über das Schwarze Literaturfestival „Resonanzen“

Das Gespräch führte Isabella Caldart

Über Diversität in der Buchbranche wird seit einigen Jahren viel diskutiert, um ihren Mangel zu kritisieren und um für eine größere Vielfalt einzustehen. Sharon Dodua Otoo, Bachmann-Preisträgerin und Autorin des Romans „Adas Raum“ (Fischer 2021) gehört in diesem Diskurs zu den wichtigsten Stimmen- Jetzt hat sie gemeinsam mit den Ruhrfestspielen das Schwarze Literaturfestival „Resonanzen“ (19. bis 21. Mai) ins Leben gerufen, um anderen deutschsprachigen Schwarzen Autor*innen den Weg in den Literaturbetrieb zu ermöglichen. Wie genau das aussehen soll, verrät sie uns im Interview.

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Ein paradoxes Problem – Interview mit Elisa Diallo über fehlende Diversität in der Buchbranche

Ein Gespräch mit Elisa Diallo, geführt von Isabella Caldart

Die deutsche Buchbranche ist vor allem hinter den Kulissen vorrangig weiß (und bürgerlich). Auch wenn mehr und mehr Bücher erscheinen, die den Literaturbetrieb diverser machen, bilden die Bücher und Autor*innen, die von Verlagen eingekauft und veröffentlicht werden, diese Struktur mehr als deutlich ab. Damit Verlagsprogramme dauerhaft diverser werden, muss sich zunächst aber hinter den Kulissen einiges ändern. Elisa Diallo (Paris, *1976), zuständig für Rechte und Lizenzen im Schöffling Verlag und Autorin des Memoirs „Französisch verlernen. Mein Weg nach Deutschland“, hat einige Vorschläge, wie man das Problem fehlender Repräsentation in der hiesigen Verlagsbranche anpacken könnte. Das Wort „Diversität“ kann sie langsam nicht mehr hören. In Ermangelung einer Alternative verwenden wir es im Interview trotzdem.

Elisa, in deinem Buch Französisch verlernen thematisierst du unter anderem Rassismus in Deutschland und Frankreich. Um deinen Job in der Buchbranche geht es dabei nur am Rande. Du erzählst aber eine Anekdote: „Eine meiner Freundinnen ist Lektorin in den Niederlanden und auch schwarz. Wir witzeln oft, dass wir wohl die beiden einzigen Nicht-Weißen in der internationalen Verlagswelt sind. Auf den Buchmessen passiert es manchmal, dass uns die Kollegen verwechseln, die uns oder eine von uns beiden kennen.“ Zunächst ganz allgemein gefragt: Wie divers ist die hiesige Buchbranche?

Elisa Diallo, Mitarbeiterin im Schöffling-Verlag und Autorin, Fotografie: Herby Sachs

Die deutsche Buchbranche ist meiner Erfahrung nach extrem weiß. Fast noch störender als die fehlende Diversität wegen Hautfarbe und ethnischer Herkunft ist für mich aber die bezüglich sozialer Herkunft. Es wird eine bestimmte Ausbildung erwartet, um mit Texten zu arbeiten. Aber die Frage ist: Stimmt das wirklich? Braucht es dafür einen akademischen Titel? Auch der Vertrieb von Büchern, sprich die Buchhandlungen, könnte diverser werden. Dieser Bereich ist im Umbruch, aber noch überwiegend weiß und bürgerlich, und die meisten Buchhändler*innen sprechen nur eine bestimmte Zielgruppe an. In den letzten Jahren, so mein Gefühl, haben sich alle im schnellsten Tempo zum Thema „Diversität“ weitergebildet, alle reden von „BPoC“, aber bei mir weckt das Unbehagen. Schaut man die Herbstvorschauen durch, ist dieser „Trend“ auch schon wieder vorbei.

In den USA gibt es die Debatte schon länger, in Deutschland ist sie noch neu…

Solange „Diversität“ nur ein Werbeslogan bleibt, bin ich skeptisch. Wir brauchen auf jeden Fall Studien, handfeste Daten zu diesem Thema, sonst ist es immer nur gefühlt. „Gefühlt“ sind wir auf einem guten Weg, aber vielleicht auch nicht. Wir brauchen Daten über das Personal in der ganzen Branche, Verlage, Agenturen, Buchhandlungen … Und es geht auch um die Inhalte der Bücher. Wir hatten ein tolles Frühjahr mit Sharon Dodua Otoo, Mithu Sanyal oder Asal Dardan – viele verschiedene Stimmen. Aber alle haben über das Thema Rassismus geschrieben. Ich weiß nicht, ob es jemanden interessiert, sobald Schwarze Autor*innen über etwas anderes schreiben, während weiße Männer über alles schreiben können. Außerdem gelten Schwarze Erzählungen als Nische. Deutschland sieht sich immer noch als homogene weiße Gesellschaft, was extrem kontraproduktiv ist. Man geht von einer weißen, bürgerlichen Leserschaft aus, die man bedienen muss und glaubt, diese Leserschaft könne sich nicht mit Schwarzen Geschichten identifizieren. Es ist nur Platz für Geschichten mit aufklärerischer Funktion, man soll was lernen über Rassismus. Darüber hinaus besteht kein Interesse.

Du hast es eben schon angesprochen: In den USA gibt es Umfragen wie die Diversity Baseline Survey, in denen Mitarbeiter*innen von Verlagen und Redaktionen unter anderem ihre Race angeben können. Ist eine vergleichbare Umfrage auch für Deutschland wünschenswert, um zahlenbasiert weiterarbeiten zu können?

Ja, dann hätte man eine Bestandsaufnahme. Ähnlich wie bei #frauenzählen: Für mich waren diese Grafiken überraschend, fast kontra-intuitiv, weil ich gedacht hätte, dass Frauen sichtbarer sind in der Literaturwelt. Genau deswegen brauchen wir Zahlen. Sonst ist das am Ende nur ein Trend und geht nicht weiter. Die Frage der Repräsentation ist keine theoretische „Luxusfrage“, sondern ein Stück des Puzzles, wie wir friedlich und respektvoll in einer vielfältigen Gesellschaft zusammenleben wollen. Ich sehe das als ein Kontinuum – von der Abwesenheit sogenannter Minderheiten in der Literatur und generell in Medien zur Gewalt von Polizei und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Das bewirkt etwas. Durch ZDF-Krimis bekommt man starke Empathie für Polizist*innen und deren Probleme.

Du hast im Vorfeld dieses Interviews gesagt, du möchtest dich zu dem Streit um die Übersetzung von Amanda Gormans Gedichtband The Hill We Climb äußern. Wie ist deine Haltung dazu?

Ich fand diese reflexartigen Reaktionen unglaublich. Alle Schwarzen Autor*innen aus Amerika, die in Europa übersetzt werden, werden von weißen Übersetzer*innen übersetzt. Es ging darum, sich einmal etwas anderes zu überlegen, weil die Autorin Aktivistin ist und in einer bestimmten Tradition schreibt. Seit drei Jahren redet man sich den Mund fusselig über Diversität. Das hat Janice Deul in ihrem Text [der Auslöser der Diskussion] über die Gorman-Übersetzung thematisiert – aber was daraus gemacht wurde, war eine emotionale, irrationale Empörung von wegen, „als weiße Person darf man gar nichts mehr“ und „dann darf man auch keine griechischen Klassiker übersetzen“.

Sharon Dodua Otoo schrieb über die Kontroverse um die niederländische und katalanische Übersetzung: „Bemerkenswert erscheint es mir an dieser Stelle, dass die Gefühle und Ansichten von Obiols und Rijneveld so viel Platz bekommen haben – dass ich allerdings auf Anhieb nichts über die Reaktionen Schwarzer Übersetzer*innen in Spanien oder den Niederlanden gefunden habe.“

Der niederländische Artikel war ein Kommentar über die Entscheidung, dass Marieke Lucas Rijneveld The Hill We Climb übersetzen sollte. Rijneveld hat sich dann von sich aus zurückgezogen, es gab kein Verbot durch eine Institution oder so. In Holland hat man viel Geld hingelegt, da war klar, dass man sich eine*n Superstar als Übersetzer*in ins Boot holt, und Rijneveld war durch den Gewinn des International Booker Prizes in den USA bereits bekannt. Worum es bei Amanda Gorman geht, wofür sie steht, hat niemanden interessiert oder niemand erkannt – weil Verlage das in der Regel nicht können, weil Verlage diese Sensibilität, die Expertise meistens nicht im Haus haben. Da musste erst eine Person von außen kommen, eine Schwarze Aktivistin, die fragte, ob erneut alles nach Schema F gemacht oder ob nicht die Chance genutzt werden sollte, um ein Zeichen zu setzen. Daran sieht man, wie fake die Diskussionen um Diversität sind.

Auf Deutsch wurde der Gedichtband am Ende von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker und Kübra Gümüşay übersetzt, einer weißen Übersetzerin, einer Schwarzen Journalistin und einer bekannten Autorin mit türkischem Background. Was sagst du zu dieser Wahl?

Ich dachte zuerst, das ist interessant, warum nicht ein Experiment wagen? Aber ich frage mich auch, wie das zustande kam. Warum braucht man so ein Team? Konnte man bei Hoffmann und Campe keine Schwarze Übersetzerin finden? Die Branche funktioniert über persönliche Kontakte. Sobald wir konkrete Zahlen und Daten haben und feststellen, dass es ein Problem mit Repräsentation gibt, müssten wir dies Funktionsweise der Branche durchbrechen. Ich denke vielleicht ein bisschen radikal, aber so wäre man gezwungen, neue Wege für eine Zusammenarbeit zu finden, damit auch andere Leute mal zum Zug kommen.

Die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse haben für einigen Unmut gesorgt, und auch bei anderen Preisen wird immer häufiger die Zusammensetzung der Jury kritisiert. Es gab einen offenen Brief mehrerer Autor*innen, Journalist*innen und Menschen aus dem universitären Bereich, der nicht nur die Beachtung von Schwarzen und Autor*innen of Color fordert, sondern auch die Strukturen des Literaturbetriebs kritisiert. Was waren dein erster Gedanke, als du von dem Brief erfahren hast?

Grundsätzlich finde ich es immer gut, wenn dieses Thema angesprochen wird. Ich hatte aber gemischte Gefühle dabei. Meine erste Reaktion zur Shortlist war auch Überraschung darüber, dass Adas Raum nicht nominiert wurde, weil ich das für eines der wichtigsten Bücher des Frühjahrs halte – auch ästhetisch! Wir wissen natürlich nicht, wie die Jury arbeitet. Ich habe übrigens gehört, dass in der Sitzung debattiert wurde über die rein weiße Shortlist, aber dass man diese Bücher am Ende halt am besten fand und die Liste durchaus als divers ansah, weil alte Schriftstellerinnen nominiert waren. Bei dem offenen Brief war meiner Meinung nach schade, dass die Leute, die unterschrieben haben, hauptsächlich amerikanische und britische Universitätsmitarbeiter*innen waren. Daher meine Skepsis. Man weiß, was das für Kritik aufruft – dass es sich um Identitätspolitik handelt, die aus der angelsächsischen Welt importiert wurde. Und die Reaktionen, die ich wahrgenommen habe, gingen auch alle in diese Richtung. Insgesamt freue ich mich über jeden Aufschrei, weil wir uns dringend in der Branche damit auseinandersetzen müssen, aber ich habe das Gefühl, das ist komplett ins Nichts gelaufen.

Sollte man denn auf den natürlichen Wandel, auf nachwachsende Generationen hoffen, oder bist du für proaktive Maßnahmen?

Ich bin generell für Quoten und proaktive Maßnahmen, sonst warten wir noch drei Generationen, und dafür habe ich keine Geduld. Wir brauchen in den Verlagen dringend Leute, die sich mit diesem Thema auskennen, damit das nicht nur ein punktueller Hype ist, sondern auf der Agenda bleibt. Ich traue den Verlagen zu, dass sie etwas erreichen, wenn sie es wirklich ernst meinen. Da, wo man feststellt, dass man ein Wissen nicht hat, muss man sich dieses Wissen reinholen, zum Beispiel durch Diversity Manager. Für eine Branche, die davon lebt, sich in andere hineinzuversetzen und neue Welten zu erträumen, sind wir alle unglaublich fantasielos. Auch inhaltlich sehe ich in Deutschland viel Luft nach oben: Wenn man durch die Vorschauen zur Unterhaltungsliteratur blättert, geht es bei den Krimis immer nach Skandinavien, die Frauenliteratur ist durch und durch weiß, und auch in der Fantasy hat man es als nicht-weiße*r Autor*in unglaublich schwer. Es wird immer erwartet, dass du nur über Rassismus schreibst. Ich muss leider wieder Amerika als Beispiel nehmen. Dort gibt es die literarische Gattung Afrofuturism, die Science-Fiction, alternative Welten und Vorstellungen von Afrika verbindet, mit Schwarzen als Protagonist*innen. Das hat dafür gesorgt, dass viele Schwarze Leute das Schreiben als Möglichkeit für sich sehen. Es ist in den USA ein anerkanntes literarisches Genre, das in Mainstream-Verlagen publiziert wird.

Die Forderung, gezielt (mehr) nicht-weiße Autor*innen zu nominieren, könnte aber darüber hinwegtäuschen, wie homogen die Buchbranche ist. Die New York Times etwa stellt in einer groß angelegten Recherche aus dem vergangenen Jahr fest: „Literary prizes may also make publishing appear more diverse than it actually is. Over the past decade, more than half of the 10 most recent books that were awarded the National Book Award for fiction were written by people of color […] Look at the books that appeared on The New York Times’s best-seller list for fiction, though, and a different picture emerges: Only 22 of the 220 books on the list this year were written by people of color.” Hältst du eine Quote für sinnvoll, weil sich dadurch rückwärts auch hinter den Kulissen etwas verändern kann, oder verschleiert das eher die Problematik?

Wahrscheinlich beides. Das ist das Problem: Es ist paradox. Durch Maßnahmen erreicht man was, aber man muss immer wieder messen um kontrollieren, was langfristig die Effekte sind. Das ist eine fortlaufende Arbeit. Das Problem ist wahrscheinlich, inwiefern Preise generell repräsentativ sind für den Markt und inwiefern sie den Markt auch steuern.

Es gab in den vergangenen Monaten zwei Verlagsgründungen, die für unser Thema interessant sind: Stolze Augen ist ein Verlag von BPoC für BPoC, der Akono Verlag konzentriert sich auf zeitgenössische afrikanische Literatur. Reicht das aus, um nachhaltig nicht-weiße Autor*innen zu publizieren?

Das ist auf jeden Fall gut. Den Vorteil haben wir in Deutschland dank der Preisbindung: Wir haben sehr viele kleine Verlage und unabhängige Buchhandlungen und können viel mehr Vielfalt am Leben halten. Eigentlich sollte man meinen, wir könnten im Vergleich zu Amerika oder England, wo es das nicht gibt, super mutig sein. Generell habe ich keine Angst vor Identitätspolitik, auch nicht im Kulturleben. Ich freue mich über jede mutige Gründung. Aber nachhaltig ist das nicht, denn den Markt in seiner Gesamtheit bestimmen immer mehr die Konzernverlage.

Der Akono Verlag wurde von einer weißen Person gegründet. Findest du es gut, wenn Weiße ihre Privilegien einsetzen, oder siehst du es als Problem, wenn ein auf afrikanische Stimmen ausgerichteter Verlag von einer Weißen geleitet wird?

Ich fürchte, ich finde das problematisch, auch wenn es schwierig ist, das zu begründen, weil ich dann sofort den Vorwurf des „umgekehrten Rassismus“ höre. Ich will nicht behaupten, dass Weiße zwangsweise keine Expertise haben, aber ich frage mich: Wo sind die Schwarzen Leute, die die Autorität haben, andere Schwarze zu verlegen? Aber klar, die Struktur ist, wie sie ist, die Macht liegt noch immer fast ausschließlich bei Weißen, und im Moment kann man nicht mehr verlangen, als dass sie ihre privilegierte Position nutzen und anderen Sichtbarkeit verschaffen.

In den USA wurden nach den Debatten und dem Black Lives Matter-Sommer gezielt Schwarze Lektor*innen und Verleger*innen eingestellt beziehungsweise befördert und neue Imprints gegründet, um nachhaltig nicht-weiße Stimmen zu fördern, während sich hier in Deutschland bisher so gut wie nichts getan hat. Was wünschst du dir für die Zukunft?

Um das Thema ernsthaft anzugehen, müssen, wie gesagt, als erstes Daten erhoben werden. Mit Rassismus sollten sich nicht nur die paar Schwarzen Menschen der Branche beschäftigten, sondern alle, das geht nämlich Weiße ebenso an. In Amerika wurden im vergangenen Jahr in oberen Etagen auch nicht-weißen Menschen wichtige Positionen zugetraut. Das kann man sich auch in Deutschland wünschen. Vielleicht passiert es auch schneller, als man denkt, wer weiß. Ich bin insgesamt skeptisch, was dieses Thema angeht, aber ich bin gleichzeitig überzeugt, dass es gar nicht so viel braucht, um etwas zu bewegen. Und eigentlich traue ich es der Branche zu, dass ich das noch erlebe, bevor ich in Rente gehe. Das Problem ist, dass es zwar nicht den Willen gibt, nichts zu verändern, aber auch nicht den Willen, etwas zu verändern. Und die Abwesenheit von Willen reicht schon aus, damit alles so bleibt, wie es ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Photo by Viktor Kiryanov on Unsplash

Protest gegen quadratisch, praktisch, gut – Ein Gespräch über Mode mit Barbara Vinken

Ein Interview von Katharina Walser mit der Modetheoretikerin und Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken

Was hat Literaturwissenschaft mit Mode zu tun? Liest man die Texte der Romanistin Barbara Vinken, findet man einige Antworten auf diese Frage. In ihrem wohl bekanntesten Buch zur Mode, Angezogen, zeigt sie auf, wie wenig zufällig der Umgang mit Kleidern ist und wie stark er mit kulturellem und geschichtlichem Wandel verwoben ist. Aber auch Vinkens im engsten Sinne akademischen Werke lesen die Gesellschaft oder in diesem Fall die literarischen Figuren über ihre Kleider und zeigen so die Verwandtschaft von Text und Textil. 

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„Identitti“ – Ein Gespräch mit Mithu M. Sanyal

Geführt von Sibylle Luithlen

 

Mithu M.Sanyal ist bisher als Autorin von Sachbüchern* und als öffentliche Stimme im Diskus um race und Feminismus in Erscheinung getreten. Nun hat sie ihren ersten Roman veröffentlicht. Mithu und ich kennen uns schon länger. Einige Jahre lang haben wir zusammen im Kölner Literaturatelier Texte besprochen. Anlässlich ihres Romans „Identitti“ habe ich mit Mithu ein Gespräch über race und sex, Schreiben, soziale Netzwerke und den Raum von Frauen innerhalb und außerhalb von Romanen geführt, pandemiebedingt per Zoom. „Identitti“ erscheint am 15.2.21 bei Hanser. Weiterlesen

Hauptperson Havanna – Ein Interview mit dem Übersetzer Hans-Joachim Hartstein

Seit gut 40 Jahren überträgt Hans-Joachim Hartstein Literatur aus dem Spanischen und Französischen ins Deutsche. Er hat u. a. Werke von Georges Simenon, Léo Malet, Luis Goytisolo, Juan Madrid, Marina Mayoral, Leonardo Padura und Ernesto Che Guevara ins Deutsche übertragen – ein Gespräch über die Arbeit als Übersetzer, Entdecker neuer Autorinnen und Autoren und warum er das Feld inzwischen lieber jüngeren Kolleginnen und Kollegen überlässt.

Das Gespräch führte Viktor Funk

Herr Hartstein, in der deutschen Auslandsberichterstattung kommt Spanien nicht zu kurz und es gibt auch ein Interesse an Lateinamerika. Ist es dann leichter für Autorinnen und Autoren aus diesen Ländern, in den deutschen Buchmarkt vorzudringen?

Hans-Joachim Hartstein: Nein, das war mal ganz kurzfristig so, als García Márquez 1982 den Nobelpreis bekam, da war Interesse für Südamerika geweckt. Aber grundsätzlich ist es schwierig für spanischsprachige und lateinamerikanische Autorinnen und Autoren. Vor allem, sie neu einzuführen, ist schwierig. Es gibt einige Namen, die allgemein bekannt sind, ansonsten wird alles vom angloamerikanischen Buchmarkt erschlagen.

Sie haben unter anderem alle Bücher vom kubanischen Autoren Leonardo Padura übersetzt, ohne eine Reise nach Kuba wäre ich selbst nie auf ihn gestoßen, wie war das bei Ihnen?

Hans-Joachim Hartstein: Als Übersetzer frage ich auf Reisen manchmal Bekannte oder Freunde, was sich für Europa oder den deutschsprachigen Raum eignen könnte. So wurde ich auch auf Padura aufmerksam gemacht, las den ersten Krimi aus seinem Havanna-Quartett. Der hat mir so gut gefallen, dass ich versucht habe, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Das war Ende der 90er Jahre, 1996/97 hat das angefangen. 1994 war ich das erste Mal auf Kuba.

Die 90er Jahren waren sehr dramatisch für das Land, eine brutale Wirtschaftskrise, die sozialistischen Handelspartner verschwanden, das Land setzte auf Tourismus, litt aber dennoch sehr. Was hat Sie nach Kuba gelockt?

Hans-Joachim Hartstein: Ich wollte da schon sehr lange hin, in den 1970er und 80er Jahren war es sehr schwierig, aber als der Tourismus in den 90ern anfing, wollte ich hin. Wir hatten ein Hotel in einer Kleinstadt gewählt und bekamen schnell Kontakt zur Bevölkerung.

Was natürlich nur geht, weil Sie Spanisch perfekt sprechen. Seit wann übersetzen Sie spanischsprachige Literatur?    

Hans-Joachim Hartstein: Aus dem Spanischen übersetze ich seit Ende der 80er Jahre, ich habe aber um 1980 als Französisch-Übersetzer angefangen. Dann habe ich meine jetzige Frau 1987 in Spanien kennengelernt, und die Arbeit verlagerte sich nach und nach auf Spanien, Mittel- und Südamerika.

Dann schauen wir das konkret am Beispiel von Padura an. Sie sind auf ihn gestoßen und was passierte dann?

Hans-Joachim Hartstein: Normalerweise fragen Verlage an, ob man eine Übersetzung übernehmen will. Einem Verlag etwas selbst vorzuschlagen, ist im Moment fast unmöglich. Das war früher anders. In den 80ern, bis Mitte der 90er Jahre ist mir das schon öfters gelungen. Padura war dann später eine Ausnahme. Da war es tatsächlich so, dass ich Kontakt zu ihm aufgenommen habe, wir haben uns auf einer Buchmesse in Havanna getroffen, 1998 oder 1999 war das. Er erzählte mir, dass er Schwierigkeiten hat, Kontakte nach Europa zu finden, obwohl er in Spanien bei Tusquets Editores in Barcelona schon veröffentlicht wurde. Ich habe zugesagt, mal nachzufragen bei Verlagen, mit denen ich zusammenarbeite. Aber das ist ein unüblicher Weg, die Verlage haben ihre eigenen Scouts, und die Verlage haben miteinander Abmachungen. Und wenn ich zum Beispiel in Spanien ein Buch entdecke, sind die Rechte daran garantiert schon vergeben. Bei Padura half da ein Zufall, weil der damalige Cheflektor des Unionsverlags Thomas Wörtche in Zürich sich auch für Padura interessierte. Ich würde ihn als Alleskenner für Kriminalromane bezeichnen, deswegen hatte er Padura auch schon bemerkt. Dann kamen wir zusammen, und der Unionsverlag erwarb die Rechte für alle vier Havanna-Krimis. Ich bekam dann vom Unionsverlag den Zuschlag für die Übersetzung, darum ging es mir ja auch. Ein Literaturvermittler bin ich ja nicht.

War das der einzige kubanische Autor?

Hans-Joachim Hartstein: Ich hatte noch einen, Abel Prieto [1], er hat ein tolles Buch geschrieben. Die Verlage, die ich angesprochen habe, waren begeistert, ich habe ein paar Kapitel vorübersetzt und ihnen gezeigt. Nur hatte Prieto den großen Fehler, wenn man so sagen will, für den deutschen Markt, dass er damals schon Kultusminister war und damit Mitglied der kubanischen Regierung und der Parteispitze und war dann für die Verlage plötzlich nicht mehr interessant.

War das ein politisches Buch?

Hans-Joachim Hartstein: Nein, es handelte von einer Gruppe Jugendlicher, die in den 70er und 80er Jahren erwachsen werden, mit all den Problemen. Es war auch andeutungsweise kritisch, es hat nicht die stramme Parteilinie verfolgt, trotzdem wurde das nicht veröffentlicht.

Padura würde ich einerseits nicht als politischen Schriftsteller bezeichnen, aber seine Alltagsdarstellung ist im Zweifel eher kritisch. Wie wird er hier in Deutschland angenommen?

Hans-Joachim Hartstein: Das Echo, das ich kenne, ist durchweg positiv und interessiert. Man erfährt durch ihn sehr viel über den Alltag, hauptsächlich in Havanna. Das ist ja quasi die Hauptperson jedes seiner Romane, Kubas Hauptstadt Havanna.

Welche andere Autorinnen oder Autoren aus Lateinamerika haben Sie übersetzt?

Hans-Joachim Hartstein: Zum Beispiel zwei Bücher von Óscar Martínez, eins hat er allein geschrieben und eins mit seinem Bruder Juan José Martínez.[2]  Die Bücher handeln von der Situation in El Salvador, von den Bandenkriegen, der Kriminalität, der Situation in den Gefängnissen und wie das überhaupt entstanden ist, dieses Bandenwesen in El Salvador und überhaupt in Mittelamerika. Und wie so oft ist der Ursprung in den USA zu suchen, aber das führt hier zu weit. Es ist einerseits ein Sachbuch, andererseits wird am Beispiel einer Person gezeigt, wie so etwas möglich ist. Besonders im zweiten Buch wird beschrieben, wie dieser junge Mann, der mit 32 ermordet wird, selbst zu einem Mörder geworden war, schon als Kind. Es ist sehr berührend geschrieben, obwohl es ein Sachbuch ist.

Wie erfolgreich sind solche Bücher aus einem Land, das wenig beachtet wird in Deutschland?

Hans-Joachim Hartstein: Solche Bücher zu machen, das ist schon selbstloses Handeln. Solche Bücher muss der Verlag dann durch andere Bücher finanzieren.

Auf 54books erschien einmal ein Gespräch mit dem Persisch-Übersetzer Mahmoud Hosseini Zad. Er erzählte davon, dass im Iran deutsche Literatur, Klassiker und auch neuere, beachtet werden, dass in Deutschland Literatur aus dem Iran aber kaum zu finden ist. Wie ist es mit Kuba?

Hans-Joachim Hartstein: Nach meiner Erfahrung eher umgekehrt. Deutsche Literatur ist dort lediglich bei Studenten, Professoren oder Leuten bekannten, die sich beruflich damit beschäftigen. Aber sonst nicht. Es liegt auch daran, dass es dort an allem fehlt, an Papier, an Geld, an allem. Deswegen wird wenig veröffentlicht. Und hier sind neben Padura auch noch einige kubanische Klassiker bekannt wie Alejo Carpentier oder Gabrera Infante. Zugleich ist es aber so, dass wir die aktuelle Szene aus Kuba auch kaum kennen.

Bei Padura ist neben der Stadt Havanna die zweite Hauptperson seiner Romane Mario Conde. Er war lange Polizist, dann wurde er zu einer Art Privatermittler. Ich habe mich manchmal gefragt, ob er überzeichnet ist. Er ist ein Macho, hat ein kompliziertes Leben, philosophiert viel und ist zugleich herzensgut. Wie realistisch sind die Alltagsdarstellungen und die Beschreibungen der Menschen in Paduras Büchern?

Hans-Joachim Hartstein: Sehr repräsentativ. Das sind so auch Charaktere, die ich dort kennengelernt habe. Wenn ich die Bücher lese, meine ich, die Menschen zu kennen, angefangen bei Mario Conde. Sein Freundeskreis, der da beschrieben wird, der ist mir sehr gegenwärtig, auch alle Ausdrucksweisen kenne ich.

Diese Macho-Kultur in den Büchern, die sieht man auch im Land.

Hans-Joachim Hartstein: Ja, das hat auch der Sozialismus nicht geschafft einzuschränken, ein wenig vielleicht. Die Situation ist ja folgendermaßen: Die Frauen sind sehr, sehr selbstbewusst, weil eben auch berufstätig selbstverständlich. Sie sind unabhängiger. Trotzdem ist die Macho-Kultur sehr spürbar. Ich will’s mal so sagen: Es ist sehr einfach dort nicht als Macho zu gelten. Man fällt dann eher positiv auf.

Die Frauen in Paduras Büchern sind eher so Nebenfiguren, oft im sexualisierten Kontext.

Hans-Joachim Hartstein: Ja, das schon. Aber sie wissen auch, was sie wollen, lassen häufig Conde abblitzen, er sieht nicht immer gut aus. Es steht dann oft als der Dumme da und trinkt dann wieder mit seinen Freunden.

Sind die spanischsprachigen Buchmärkte auch von Männern dominiert wie in Europa?

Hans-Joachim Hartstein: Auf jeden Fall.

In Deutschland gab es in den vergangenen zwei, drei Jahren Diskussionen darüber, wie viele Männer die Verlage erscheinen lassen und wie viele Frauen. Gibt es solche Diskussionen in der spanischsprachigen Buchwelt?

Hans-Joachim Hartstein: Insgesamt dominieren Männer da den Markt, mehr noch als hier. Natürlich gibt es auch Schriftstellerinnen, aber ich finde die nicht. Ich habe zum Beispiel die Spanierinnen Carmen Laforet übersetzt oder Marina Mayoral. Und in Lateinamerika, auf Kuba, kenne ich persönlich keine Schriftstellerin. Obwohl ich da immer drauf dränge und danach frage und auch deutsche Verlage da Interesse haben. Idealtypisch dann eine Schriftstellerin 35 bis 40 Jahre mit zwei bis drei veröffentlichten Romanen.

Wenn in Kuba das Geld und das Papier fürs Herausgeben der Bücher fehlen, wie ist es mit dem Lesen, wird viel gelesen, gehören Bücher da zum Alltag?

Hans-Joachim Hartstein: Oh ja, aber anders. Hier liest man ein Buch, findet es gut und sagt: Kauf es dir auch mal. Dort gibt es private Wartelisten. Wenn jemand ein Buch ergattert hat, dann wird es weitergereicht. Es ist völlig üblich, dass zehn, fünfzehn, zwanzig Menschen dasselbe Buchexemplar lesen. Wenn ich zum Beispiel spanischsprachige Bücher mitbringe nach Kuba, entsteht sofort eine Warteliste unter den Bekannten.

Weil die Bücher teuer sind?

Hans-Joachim Hartstein: Nein, weil sie nicht vorhanden sind. Es gibt zu wenig. Wenn man eins ergattert, dann ist es billig. Vor allem sind die Bücher nicht in den Buchläden zu finden, da sieht es wirklich mau aus. Der große Hype sind die Buchmessen, die von einer Provinz in die nächste ziehen. Die Saison beginnt in Havanna Ende Februar, dann zieht die Messe weiter. Das sind reine Verkaufsmessen für die Leserinnen und Leser. Da muss man dann ganz schnell sein und Bücher kaufen, denn es gibt einfach zu wenige, es werden zu wenige gedruckt, das ist eine finanzielle Frage. Vor allem vor den Ständen mit Kinderbüchern stehen viele Kinder und Jugendliche an, um ein Buch zu bekommen, das ist wirklich atemberaubend, das zu sehen.

Zum deutschen Buchmarkt: Haben Sie den Eindruck, dass das deutsche Publikum offen wäre für mehr Literatur aus Lateinamerika? Trauen sich die Verlage nicht, hier mutiger zu sein und hier noch unbekannte Autorinnen und Autoren zu verlegen?

Hans-Joachim Hartstein: Ich bin mir sicher, dass das Interesse beim Publikum da wäre. Aber es ist natürlich auch immer die Frage des finanziellen Einsatzes. Nehmen wir zum Beispiel Paduras Der Mann, der Hunde liebte, das ist ein Buch von mehr als 700 Seiten. Da müssen die Rechte bezahlt werden, dann die Übersetzung und dann die Erstellung, Marketing … da kommt viel zusammen. Und da trauen sich viele Verlage nicht. Ich habe zum Beispiel ein höchst interessantes Buch aus Uruguay, das ähnlich wie Padura auf Fakten basierend eine Geschichte über die Diktaturen in Uruguay, Argentinien und so weiter, die sich gegenseitig die Widerstandskämpfer ausgeliefert haben. Das Buch hat den Nachteil, dass es rund 1000 Seiten hat, das ist für die Verlage in der Investition ganz einfach zu teuer. Das ist mit us-amerikanischen Schriftstellern leichter, da kann man schon 1000 Seiten produzieren, die verkaufen sich dann auch millionenfach. Bei Büchern aus Lateinamerika ist der Einsatz zu hoch und es ist fast sicher, dass es sich nicht so gut verkauft. Und einen langen Atmen mit einer Autorin oder einem Autor zu haben, das trauen sich höchstens die unabhängigen Verlage, aber die haben oft kein Geld.

Der Soziologe Norbert Elias, der in den Niederlanden lebte, sagte, dass vor allem kleine Länder große Probleme haben, die Literatur aus ihrer Sprache, bekannter zu machen …

Hans-Joachim Hartstein: Manchmal gibt es einen Hype um jemanden, dann bekommt man einen kleinen Einblick, wie damals, nach der Verleihung des Nobelpreises an den Kolumbianer García Márquez, in die lateinamerikanische Literatur. Und einen Niederlanden-Hype gab es auch mal, denken wir nur an Leon de Winter, Cees Nottenboom, Margriet de Moor. Auch über die Rolle des Gastlandes auf der Frankfurter Buchmesse bekommt ein Land mal kurz Aufmerksamkeit, aber lange hält sich das alles nicht. Für kleine Verlage, die vielleicht mutiger sind, gibt es außerdem kaum die Möglichkeit, ihre Bücher auf den Tischen am Eingang der Buchläden zu platzieren. Die Platzierungen der Bücher in den Läden werden ja bezahlt. Um eine neue Autorin einzuführen muss man sehr gut vernetzt sein, das ist für die Vielfalt natürlich nicht förderlich. Das ist schon für deutsche Autoren schwer, für jemanden aus anderen oder gar kleinen Ländern ist es doppelt und dreifach schwer.

Was entgeht uns denn?

Hans-Joachim Hartstein: Uns entgeht die Möglichkeit, die Kulturen kennenzulernen. Wir haben jetzt noch gar nicht von asiatischen Ländern gesprochen oder afrikanischen, das ist ja in unserer Wahrnehmung noch weiter weg.

Soweit müssen wir gar nicht gehen, mein Eindruck ist, dass osteuropäische Literatur auch kaum wahrgenommen wird in Deutschland, nur, wenn wichtige Preise vergeben werden wie für die Polin Olga Tokarczuk oder Zsuzsa Bánk, die ungarische Wurzeln hat. Dann erhöht sich die Wahrnehmung …

Hans-Joachim Hartstein: … aber auch nur für diese Autorinnen, sonst nichts.

Dabei beschäftigen wir uns politisch geradezu obsessiv mit dem Osten.

Hans-Joachim Hartstein: Ja, so geht es mir tatsächlich auch. Ich interessiere mich nun wirklich für die Literatur, aber ich weiß auf Anhieb nicht, ob ich denn jemals einen ukrainischen Schriftsteller gelesen hätte. Das gleiche gilt für den Balkan.

Sie sind ja seit Jahrzehnten im Geschäft, wie hat sich eigentlich die Arbeit eines Übersetzers in dieser Zeit verändert?

Hans-Joachim Hartstein: Verändert hat sie sich auf jeden Fall, ob etwas besser oder schlechter ist – mit solchen Bewertungen bin ich vorsichtig. Anders betrachtet: Wer heute neu als Übersetzer oder Übersetzerin anfangen will, hat es schwerer, Aufträge von Verlagen zu bekommen. Es sind sehr viele, es war früher nicht so überfüllt, sagen wir’s mal so.

Es gibt heute mehr Konkurrenz?

Hans-Joachim Hartstein: Das zum einen, aber die Verlage machen teilweise auch Angebote, die eigentlich nicht in Frage kommen. Die gehen sehr weit runter mit dem Preis, jüngst habe ich sogar gehört, dass erstmal eine Gratisübersetzung verlangt wurde, quasi ein Buch als Praktikum, eine Art Bewährung. In diesem Punkt ist die Situation offensichtlich schwieriger geworden. Wenn ich mir überlege, wie ich angefangen habe …

Wie war das?

Hans-Joachim Hartstein: Ich habe damals beim Diogenes Verlag schlichtweg angerufen und wurde mit dem damaligen Cheflektor Gerd Haffmanns (später Gründer des gleichnamigen Verlags) verbunden. Und der hat mich dann an die Lektorin Irene Riesen verwiesen, sie suchte gerade Übersetzer für die zahlreichen Maigret-Romane des Belgiers Georges Simenon. So bin ich dann reingekommen. Heute ist es viel schwieriger, sich mit den Verlagen in Kontakt zu setzen. Der persönliche Kontakt ist aber wichtig, wenn man sich kennenlernte, bekam man dann neue Aufträge, nur so ging das.

Wie viel übersetzen Sie heutzutage noch?

Hans-Joachim Hartstein: Ich habe ja schon das gesetzliche Rentenalter erreicht, bin 1949 geboren. Die Rente ist aber so bescheiden, dass ich gerne noch übersetze und das auch brauche. Aber ich gebe keine Seminare mehr an der Uni Düsseldorf, da war ich früher aktiv im Studiengang Berufsübersetzerinnen und -übersetzer. Irgendwann muss man das einfach Jüngeren übergeben.

Das können manche nicht, klammern sich dann an so etwas fest.

Hans-Joachim Hartstein: Ich kann das ganz gut, weil ich merke, dass sich vieles geändert hat.

Die Sprache, oder was meinen Sie?

Hans-Joachim Hartstein: Die Sprache sowieso, das war aber früher nicht anders. Man muss unterscheiden, ob es sich um eine der permanent stattfindenden Veränderungen der Sprache oder um eine Verschluderung oder Verflachung der Sprache handelt. Ich meine aber auch die Art und Weise wie mit digitalen Medien umgegangen wird, zum Beispiel Wörterbücher. Einsprachige, zweisprachige, Synonymwörterbücher – das geht jetzt alles mit einem Klick. Das hat aber den Nachteil, dass dann nicht mehr so viel nachgedacht wird. Es wird angeklickt und was da steht, wird genommen. Doch dann beginnt die eigentliche Arbeit: Passt der gefundene Ausdruck zum Kontext? Oder muss ich „in der Nähe“ suchen, um gegeben falls etwas Passenderes zu finden. Ich habe dann vor einigen Jahren gemerkt, jetzt muss ich loslassen können, obwohl ich wirklich gerne gelehrt habe.

Wenn Sie jetzt nicht mehr so viel übersetzen müssen, wählen Sie jetzt gezielter aus, was Sie machen?

Hans-Joachim Hartstein: So häufig kommen die Anfragen für spanischsprachige Bücher nicht bei, das ist nicht so üppig. Aber was ich an Anfragen bekomme, das interessiert mich auch immer, wie der Óscar Martínez über El Salvador. Das ist wahnsinnig interessant, weil wir da nicht so viel drüber wissen. Nur, dass es da sehr kriminell ist, aber warum, weshalb, wie kam es dazu, das wissen wir nicht. Und ich lerne beim Übersetzen ja enorm viel.

Wie klären Sie etwas, wenn Sie unbekannte Themen übersetzen.

Hans-Joachim Hartstein: Ich habe schon zum Beispiel das eine oder andere Mal mit der Polizei gesprochen, wenn ich Krimis übersetzt habe, um zu erfahren, wie was genau abläuft. Ich habe einfach angerufen, die staunen zuerst, aber die wehren nichts ab und erklären gerne, die freuen sich auch. Einmal war ich auch im Generalvikariat hier in Münster, weil ich einmal eine Geschichte übersetzt habe über einen Bischof, der ein kleines Mädchen  als Patenkind aufgezogen hat, ihr eine Schulbildung und so weiter ermöglicht hat. Da gab es sehr viele kirchliche Ausdrücke. Ich war zwar mal Messdiener, aber vieles wusste ich doch nicht. Es waren viele Dinge, wie zum Beispiel die Anreden, wie redet man richtig einen Bischof an und wie redete man ihn vor 50 Jahren an, da gibt es auch einen Unterschied. Und da bin ich dann dahin marschiert und der damalige Bischof Lehmann hat mir das alles erzählt, es war ein sehr angenehmes Gespräch.

Sie recherchieren also auch selbst.

Hans-Joachim Hartstein: Ja. Da hilft das Internet natürlich sehr, aber auch nicht immer. Früher war man aber viel stärker darauf angewiesen, dass es jemand einem erklärt. Man musste irgendwo anrufen. Es ist schon interessant, dass das jetzt ein bisschen verloren geht durch das Internet. Früher hat man die unmöglichsten Dinge unternommen, um an Informationen zu kommen. Telefon natürlich, Briefe, Kontakte, Kollegen, die jemanden kennen, der weiterhelfen kann; oder Ansprechen von Personen, die sich auskennen müssen, z.B. bei kriminaltechnischen Fragen hilft gerne die Polizei, bei Fragen zur Kirche eben kirchliche Stellen (Beispiel: Wie wurde in den Zwanzigerjahren ein Bischof angesprochen? Wie werden die verschiedenen Kopfbedeckungen eines Würdenträgers bezeichnet? Dafür war ich im Generalvikariat Münster.) Bei Padura gibt es zum Beispiel viele Baseball-Ausdrücke, die musste ich erst verstehen. Ich habe ihn gebeten, mal über Fußball zu schreiben, aber für ihn zählt nun mal Baseball. Es war auch ein befriedigendes Gefühl, wenn man etwas rausgekriegt hat.

Ist das Übersetzen eigentlich eine genauso einsame Tätigkeit wie das Schreiben von Büchern?

Hans-Joachim Hartstein: Ja. Und ich liebe es. Das muss man wirklich vorher wissen. Und wenn man das nicht mag, sollte man das lieber nicht tun. Das ist eine einsame Geschichte.

 

[1] Abel Prieto, Jahrgang 1950, war 1997 bis 2012 und Juli 2016 bis Juli 2018 Kulturminister in Kuba. Er ist Literaturwissenschaftler und Schriftsteller.

[2] Bücher von Óscar Martínez  und Juan José Martínez: „Eine Geschichte der Gewalt“ 2016 und „Man nannte ihn El Niño de Hollywood“ 2019, beide Bücher: Verlag Antje Kunstmann

Empfehlungen von Hans-Joachim Hartstein:

  • Juan Marsé: Die obskure Liebe der Montserrat Claramunt. Moos, 1991.
  • Marina Myoral: Helena. Marion von Schröder Verlag, 1997.
  • Carmen Laforet: Nada. Claassen, 2005.
  • Antonio Ortuño: Madrid, Mexiko. Antje Kunstmann Verlag, 2017.

 

Titelbild von Viktor Funk

„Welten aktiv gestalten und verändern“ – Ein Interview mit Muna AnNisa Aikins

Muna AnNisa Aikins ist Sozialwissenschaftlerin, Trainerin für Empowerment und Antidiskriminierung und leitet als Mitglied von Each One Teach One (EOTO) e.V. den Afrozensus. In ihrem literarischen Debüt „Die Haut meiner Seele“ erzählt sie in Gedichten und Erzählungen von den Etappen ihres Lebens: von der Flucht aus einem Krieg, dem Leben in Deutschland, den Narben ihres Aufwachsens in Strukturen, die sie marginalisieren, und von ihrem Weg, diese Wunden zu heilen. Mit Charlotte Milsch spricht sie über literarisches Schaffen, Befreiungsmomente und Verantwortung.

„Die Haut meiner Seele“ ist eine Komposition aus Gedichten und Erzählungen. Und du hast darin einen ganz eigenen Ton gefunden, um dich auszudrücken. Wie kam es zu dieser Sprache?

Muna AnNisa Aikins: Sprachen, die mich geprägt haben, empfinde ich als Möglichkeiten, als Reichtum, was sie ja in unserer Gesellschaft oft nicht sind, zumindest manche Sprachen. Ich kann Realität in verschiedenen Formen ausdrücken, was mir hilft, ein Puzzlestück zu sehen, das ich vorher nicht gesehen habe. Und das war auch der künstlerische Teil, der mir am meisten Spaß gemacht hat: Worte finden als kreativer Prozess. Es hat etwas Symbolisches: Ich drücke etwas mit einem Wort aus und drücke so auch mich selbst aus. Und fühle mich dadurch. Deswegen ist Schreiben für mich ein Heilungsprozess. Sprache als Heimat sozusagen. Sprache ist auf der einen Seite ein Instrument, um mich zu befreien, aber es ist auch ein Instrument, in dem ganz viel Gewalt steckt. Sprache ist kein neutrales Werkzeug.

„Die Haut meiner Seele“ ist autobiografisch, du schreibst darin u.a. von der Gewalt, die du erlebt hast, von Flucht, vom Zurechtfinden in Deutschland, von Erlebnissen in der Familie. Hat es Überwindung gekostet, das zu veröffentlichen?

Muna AnNisa Aikins: Ich habe das Gefühl es ist wichtig, notwendig, dass diese Geschichten erzählt werden, gerade für die Menschen, mit denen ich durch die geografische Herkunftsverbindung verbunden bin, und für deren Herausforderungen innerhalb dieser Gesellschaft und deren Kämpfe. Ich musste für mich eine Ebene finden, wo ich hin konnte mit meinem persönlichen Schmerz und meiner Zerrissenheit. Ich glaube, wir haben eine gemeinsame Verantwortung und deswegen stelle ich es einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung.

Ich hab auch zwischendurch einige Gewalterfahrungen weggelassen, weil ich dachte, das sei zu viel. Ich will niemanden desillusionieren. Aber diese Geschichten sind entscheidend, um das Bild komplett zu machen, um die gesellschaftlichen Gewaltmechanismen wie Patriarchat oder Sexismus zu verstehen. Ich habe mich aber auch gefragt: Wie viel kann ich anderen zumuten? Auf der anderen Seite, ist es ja so, dass bestimmte Gewalterfahrungen in marginalisierten Positionen härter zusammenkommen.

In deinem Buch heißt es: „Ich habe lange versucht, die Seiten in diesem Buch zu reparieren“. Wie sahen diese Versuche aus und was hat sich dann verändert?

Muna AnNisa Aikins: Vieles von dieser Gewalt bestimmt mich ja so, dass ich damit trotzdem werde. Ich finde einen Weg damit zu sein. Irgendwie hat das, was ich an Gepäck mit Mitte 20 hatte, keine Zukunftsvision mehr für mein Werden ergeben. Mein Sein war so schwer und zerrissen, dass ich mich gefragt habe: Wie kann ich mit all dem sein? Die Konsequenz war, dass manches davon aufhören musste, weil ich es nicht mehr mittragen konnte, auch innerhalb meiner Familie.

Und leider müssen Menschen, die in diesen Gewaltmechanismen feststecken, und so erschöpft davon sind, sich diese Befreiungsmomente selbst schaffen. Die werden nicht angeboten oder ermöglicht. Da sieht sich niemand in der Verantwortung. Und wenn, dann im Kampf gegen eine andere Seite. Verantwortung wird oft reduziert auf Schuld und schlechtes Gewissen, aber ich habe gelernt, dass sie einen im Status Quo halten: Du fühlst dich schlecht, weil die Umstände schlecht sind, und das macht dich unfähig zu reagieren.

Geht es dabei auch um generationenübergreifende Traumata? Und was ist deiner Meinung nach besonders wichtig, wenn es darum geht, sie zu durchbrechen?

Muna AnNisa Aikins: Verlust von Heimat bedeutet, dass die folgenden Generationen etwas mitverloren haben, wovon sie gar nicht wissen, was es ist. Es prägt ihr Sein. Es ging mir aber auch um Gewaltmomente, die zwar weit zurückliegen, wie die FGM-Geschichte (FGM = Female Genital Mutilation). Denn sie bestimmten mein ganzes Leben. Es ist wichtig, dass ich nicht nur eine Co-Existenz damit finde, sondern eine eigene Existenz, die davon gesunden kann. Ich hab sehr lange mit mir gekämpft, mich dafür zu entscheiden, eine Rekonstruktions-OP zu machen, weil ich das Gefühl hatte, ich verrate den Struggle, den die Frauen vor mir hatten. Aber wenn ich mich dagegen entscheide, würde ich mir Situationen zumuten, die noch mehr Schmerz und Gewalt bedeuten, z.B. wenn ich Kinder kriegen möchte. Ich wollte, dass andere Frauen wissen, dass es diese Option gibt, denn ich wusste es lange Zeit nicht.

Wir haben uns über Instagram kennengelernt und dort erlebe ich, dass du viel zum Thema Heilen teilst. Du beschreibst den Weg der Heilung in „Die Haut meiner Seele“ auch als Kampf um einen Platz in dieser Welt. Wie sah dieser Kampf für dich aus?

Muna AnNisa Aikins: Das ist eng verwoben mit dem Veröffentlichen. Das, was ich bin, hat seinen Platz. Mein Buch ist wie ein gesamtgesellschaftlicher Hinweis, sich mit dieser Gewaltsituation auseinanderzusetzen. Für mich bedeutet es ja, ein Stück Sicherheit aufzugeben. Es macht mich angreifbar, verwundbar. Trotzdem habe ich eine Stabilität und Balance, von der ich denke, dass es auch den Ursprung jedes Wesens ausmacht, die ich mir wieder dadurch zurück erkämpft habe: Mich dafür nicht zu schämen, den Schmerz nicht zu relativieren. Das begleitet mich wie eine Melodie, auch im Kontext von Gerechtigkeits- und Menschenrechtskämpfen in meiner Arbeit. Ich glaube wir haben alle eine Form des Schaffens in uns, die uns hilft zu heilen. Und das ist meine. Heilen ist ein ständiger Prozess.

Du hast über die Bedeutung deines Schreibens für dich gesprochen. Was ist mit den Leser*innen? Hast du einen Wunsch, was dein Schaffen bei Ihnen bewirken könnte?

Muna AnNisa Aikins: Ich wünsche mir mehr zwischenmenschliche Verbindungen und über diese Bindungen gemeinsame Verantwortungsübernahme, die aktiv wahrgenommen wird, in der wir unsere Welten aktiv gestalten, positiv beeinflussen und verändern. Das verlangt eben auch, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Sharon Dodua Otoo stellt in „Das unveröffentlichte Interview“ die Frage: Wie können Schwarze feministische Schriftsteller*innen schreiben und sich in den Strukturen bewegen, die sie marginalisieren und ausschließen? Hast du für dich Antworten auf diese Frage gefunden?

Muna AnNisa Aikins: Ich bin nicht wirtschaftlich vom literarischen Schreiben abhängig. Insofern habe ich viele andere Optionen, die diesen gesellschaftlichen Druck in einem literarischen Kontext relativieren. Aber ich bin von meinen Lebensrealitäten her schon emotional und ganzheitlich darauf angewiesen, dass bestimmte Geschichten erzählt werden, dass es Repräsentation gibt. Und das war beim Schreiben für mich ein Orientierungspunkt: Dass ich möchte, dass bestimmte Geschichten, dass meine Stimme als Angebot platziert wird.

Ich wollte mein Buch aber auch nicht in einem großen Verlag unterbringen, in einer Konstellation, wo ich dem Machtgefälle nicht gewachsen bin. Mir war klar: Das muss in einem emotional für mich erträglichen Setting passieren. Agentinnen haben mir zurückgemeldet, sie wüssten nicht, wie das zu platzieren sei, es sei zu spezifisch. Und das war ein Argument, das mich wütend gemacht hat, wenn Menschen, die zur weißen Mehrheitsgesellschaft gehören, sagen, das sei nicht relevant für die Allgemeinheit. Das hat mich bestärkt, mein Ding zu machen. Es war ein Findungsprozess, wo ich viel mit mir verhandelt habe: Was kann ich annehmen, hinnehmen? So kam ich zu Unrast, wo auch viele andere BIPoC und Feminist*innen veröffentlicht haben. Und dort wurde ich mit offenen Armen empfangen.

Es geht in dem Artikel von Sharon ja auch um Engagierte Literatur: Da werden oft die Inhalte thematisiert und gar nicht mehr das Schreiben als Kunst. Es geht gar nicht mehr darum, wie die Personen schreiben, sondern nur um die Themen. Das Schreiben an sich sollte auch thematisiert werden. Ich war beim Schreiben auch sehr vorsichtig. Ich muss meine Geschichten navigieren in den Verhältnissen: Wenn ich bestimmte Geschichten erzähle, kann ich dann instrumentalisiert werden für rassistische Gewalt oder Zuschreibungen? So etwas muss ich immer mitdenken.

Du hast von anderen BIPoC Autor*innen gesprochen. Gibt es denn für dich Schriftsteller*innen, die dieses Buch oder dein Schreiben begleitet haben?

Muna AnNisa Aikins: Beim Schreiben habe ich viel von Nayyirah Waheed gelesen. Ich finde es beeindruckend, wie kurz und prägnant sie Gefühle erklärt und auf den Punkt bringt. Das war ein Rettungsanker. Genauso Audre Lorde. Einer der Sätze von ihr, die mich sehr geprägt haben, war: „Your silence will not protect you“. Und „Mindplatter“ von Najwa Zebian hat mich begleitet. Bei ihr geht es auch um Heilen und Zurechtkommen in dieser Welt.

Du schreibst: „Ich bin nicht geboren, um fremd zu bleiben, sondern um zuhause zu sein.“ Hast du dieses Gefühl von zuhause, von Zugehörigkeit, mittlerweile gefunden?

Muna AnNisa Aikins: Ich sage vorsichtig: „Ja“. Das Zuhause bin ich selbst, in meinem ganzen Sein. Ich habe gelernt, dass ich schon alles dabei habe, was ich brauche, und was ich bin. Dass ich mir ein Zuhause in meinem Körper, in meinem Sein machen möchte. Ich möchte meine Erinnerungen und meinen Körper heilen. Auch nach der Geburt meiner Kinder bin ich körperlich noch mehr zu mir selber gerückt, noch mehr in mein Zuhause eingezogen. Es ist das Gefühl von im Hier und Jetzt sein, lebendig sein und fühlen.

Beitragsbild von Diego PH

Unter Vorbehalt – Ein Gespräch über Literaturveranstaltungen in der Corona-Krise

Emily Grunert, Ludwig Lohmann und Alexander Graeff organisieren Literaturveranstaltungen in verschiedenen Einrichtungen. Wie die meisten Veranstalter*innen in ganz Deutschland mussten auch sie Anfang März lange geplante Lesungen, Festivals und Gesprächsreihen absagen, verschieben oder ins Internet verlagern. Wie geht man mit dieser Situation um? Ist der virtuelle Raum für alles die Lösung und was heißt eigentlich „Literatur als soziale Praxis“? Darüber haben wir von 54books mit den drei gesprochen. Weiterlesen

Ein Zweiter Frühling – Der Verlag Voland & Quist verschiebt sein aktuelles Programm

von Isabella Caldart (@isi_peazy)

 

Dass Voland & Quist äußerst kreativ und zugleich resilient ist, hat der Verlag in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen. 12 Prozent des Jahresumsatzes gingen im vergangenen Jahr durch die KNV-Insolvenz verloren – also stellte Voland & Quist kurzerhand eine Benefizveranstaltung auf die Beine. Ebenfalls letztes Jahr kündigte der Verlag ein außergewöhnliches Imprint an, das im Herbst 2020 mit dem ersten Programm an den Start geht: V&Q Books wird deutschsprachige Literatur ins Englische übersetzen und in Großbritannien vertreiben. Da wundert es wenig, dass sich Voland & Quist auch von der Coronakrise nicht in die Knie zwingen ließ und stattdessen den Zweiten Frühling ausrief (dem sich hoffentlich viele Verlage anschließen werden): Das Frühjahrsprogramm wird im Herbst erneut aufgelegt. Bereits einen Tag zuvor hatte der Elif Verlag auf Facebook angekündigt, das Frühjahrsprogramm zu schieben, und den Börsenverein und die Kurt Wolff Stiftung dazu aufgerufen, diese Idee zu verbreiten. In vielen weiteren Verlagen wird intern bereits diskutiert, ob und wie eine Programmverschiebung gehandhabt werden kann. Weiterlesen